Der seekranke Walfisch. Oder: Ein Israeli auf Reisen.
lockerer wurde.
»Mon choux«, kicherte sie und forderte das Orchester durch ein Nicken auf, einen munteren Can-Can zu spielen, indessen hinter meinem Rücken die beste Ehefrau von allen mir scheinheilig zusprach:
»Sei kein Spaßverderber, Ephraim! Sie meint es doch wirklich nett! Alle gehen auf das kleine Spielchen ein, nur du nicht!«
Unterdessen hatte Großmutti mit kundiger Hand meine Finger von der Sessellehne gelöst; einen nach dem ändern. Das Publikum jauchzte. Aber ich gab mich noch nicht geschlagen. Ich hatte unter meinem Sitz eine eiserne Leiste entdeckt, an der ich meine Füße einhaken konnte. »Verschwinde, alte Hexe«, keuchte ich. »Ich mag dich nicht.«
»Mon amour«, säuselte Großmutti, hob mich mit raschem Untergriff halbhoch und bugsierte mich auf die Bühne. Was weiter geschah, habe ich nur nebelhaft in Erinnerung. Laut Bericht meiner Gattin stand ich vollkommen groggy, mit offenem Mund und baumelnden Armen, neben Großmuttis anderen Opfern, ließ mir von einem Girl eine Papiermütze mit wippenden roten Federn auf den Kopf setzen und tanzte, während Großmutti den Takt klatschte, einige Takte Cha-cha-cha.
Als ich auf meinen Platz zurückkehrte, empfing mich die beste Ehefrau von allen sehr unfreundlich:
»Ich schäme mich für dich«, sagte sie. »Warum läßt du einen Narren aus dir machen?«
Nach einigen Tagen konnte ich mein Krankenlager verlassen und ein wenig Spazierengehen. Durch Zufall traf ich einen mir befreundeten Volkstanzexperten aus Israel. Im Gespräch erwähnte ich auch Großmutti.
»Ja, die kenne ich«, grinste er. »Die kommt schon seit Jahrzehnten mit demselben Trick aus. Holt aus dem Publikum ein paar >Touristen< auf die Bühne und läßt sie tanzen. Das Publikum hat natürlich keine Ahnung, daß es bezahlte Komparsen sind.«
»Wer?« fragte ich. »Wer ist was?«
»Die angeblichen Touristen. Die werden ja eigens dafür engagiert. Daß sich ein wirklicher Besucher zu diesem Blödsinn hergibt, kommt nur ganz selten vor. Aber warum fragst du? Sag mir nicht, daß sie dich herumgekriegt hat!«
»Mich?!« Mit einem souveränen Auflachen wies ich diese Zumutung glatt von mir. »Bist du verrückt geworden?«
Schöner Regen heute, nicht wahr?
Ein Bericht vom Eiland der guten Manieren und der Selbstbeherrschung. - Die Regeln des »Danke«-Spiels. - Ich belächle die traditionsgebundenen Engländer und werde dabei gelb vor Neid. - Wunderbare Rettung von einer Untergrund-Büffelherde. - Auch in England machen sich Verbrechen nicht bezahlt, aber es ist doch etwas dran. - Veranstaltung des tollsten Raubüberfalls in der Geschichte der englischen Kinematographie. - Englischer Humor und was man dagegen tun kann. - Die Aufspaltung des Stadtteils St. John in dreißig Straßen und deren belebender Einfluß auf das Taxigewerbe. - Ein Abenteuer unter Mitwirkung von Hunden und verrückten Engländern. - Die Fenster von Amsterdam (für Jugendliche unter 16 Jahren verboten).
Geographisch ist England ein Teil von Europa. In Wirklichkeit ist es ein Teil von sich selbst und von gar nichts sonst. Wir merkten das schon im Augenblick unsrer Landung.
Vielleicht entsinnt sich der geneigte Leser noch der Presseberichte über den Gewittersturm, der vor einiger Zeit den Ärmelkanal heimgesucht hat und Ausmaße annahm, an die sich auch die ältesten Seebären nicht erinnern konnten. Das Schicksal fügte es, daß meine Gattin und ich gerade an diesem Rekordtag den Kanal überquerten. Unser Schiff wurde von den wild schäumenden Wogen hin- und hergeschleudert wie die berühmte Nußschale, die in solchen Fällen immer zu Vergleichszwecken herangezogen wird, obwohl es auf wild schäumenden Wogen noch nie eine Nußschale gegeben hat, ausgenommen unser Schiff. Da die epische Schilderung von Naturkatastrophen in der heutigen Literatur als minderwertig gilt, beschränke ich mich auf die Mitteilung des heiligen Eides, den ich eine halbe Stunde nach Ausbruch des Sturms geschworen habe: Ich würde, so schwor ich, mich für den Rest meines Lebens in einen Kibbuz zurückziehen und mich dem vollständigen Wiederaufbau der Klagemauer in Jerusalem widmen, wenn ich mein nacktes Leben retten könnte. Da dieser Schwur nichts fruchtete, ersetzte ich ihn nach einer weiteren halben Stunden durch den folgenden: »O Herr, ich verzichte auf mein nacktes Leben, nur laß mich bitte nicht sterben... «
Diese Formulierung hatte Erfolg. Wenige Stunden später sichteten wir die weißen Klippen von Dover, die
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