Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
und meiner Ansicht nach ist es nicht halb so aufregend. Die Detektivarbeit wird am besten zu Fuß erledigt, wissen Sie.« Aber sie hatte gesagt, es sei ein Anfang. Darauf hatten sie sich geeinigt. Wie man den Anfang machte. Es war einfacher, als sie erwartet hatte.
Sie klickte gerade auf die Maus, als sie hereinkamen.
»Hier ist Besuch für dich, Liebes. Kannst du dich mal für eine Minute losreißen? Es ist …«
Die junge Frau stellte sich rasch selbst vor.
»Lucy«, sagte sie. »Lucy Groves.«
»Lucy Groves«, wiederholte Dougie. Er wirkte verwirrt. Hatte er sie an der Tür nicht nach ihrem Namen gefragt? Jetzt sagte er: »Ich stelle Wasser auf.«
Eileen hatte einen Zeitungsartikel über eines der entführten Kinder gefunden, und er war mitten auf dem Bildschirm. Sie drehte sich mit ihrem Stuhl herum und wieder zurück, wollte den Artikel verschwinden lassen und wusste nicht, wie.
»Mrs Meelup?«
Eine nett aussehende junge Frau. Hübsch. Schönes Haar. Lächelnd. Sie streckte die Hand aus. Eileen zögerte. Sie hatte keine Ahnung, wer die junge Frau war oder warum sie hier war, und Dougie hatte ihnen den Rücken zugewandt, war mit dem Wasserkessel beschäftigt. Eileen schaute wieder auf den Schirm, hoffte, das Bild sei von allein verschwunden, aber es war noch da. Die Überschrift bohrte sich in ihr Gehirn. »Einen Moment … Ich muss das hier nur noch fertig machen. Wenn Sie eine Minute warten würden …«
Sie drehte ihren Stuhl wieder herum. Es war ein alter Bürostuhl. Keith hatte ihr auch den besorgt, von einem Freund, dessen Büro aufgelöst worden war. Der Bildschirm war voller Zeilen, und sie wollte nicht, dass jemand anderer die sah. Sie fummelte mit der Maus unter ihrer Hand herum, klickte hierhin und dorthin. Die Schrift bewegte sich seitwärts und wieder zurück, aber das war alles.
»Kann ich Ihnen helfen?«
Die junge Frau war an ihrer Schulter, blickte auf den Schirm. »Am Anfang ist es ein Alptraum, nicht wahr? Ihr Mann sagte, Sie würden es gerade lernen. Sie werden in kürzester Zeit zur Expertin werden, bestimmt, aber wenn ich irgendwas tun soll …«
Eileen merkte, wie ihr Nacken kribbelte. Die junge Frau stand zu nahe und schien gleichzeitig auf den Schirm und auf sie zu schauen, in merkwürdiger Weise. Sie roch nach etwas wie süßen Äpfeln.
»Nein.« Eileen drückte auf den Knopf am Schirm, und das Bild schrumpfte zu einem Lichtpunkt zusammen und verschwand.
»Äh … ich weiß nicht, ob man Ihnen das gesagt hat, aber es ist vermutlich keine gute Idee, es so zu machen. Es ist wirklich besser, ihn erst runterzufahren – wenn man ihn einfach ausstellt, können die Daten verloren gehen.«
Eileen rückte ein Stück ab und stand auf. »Das ist egal.«
»Tut mir leid, Sie müssen sich fragen, was um alles in der Welt los ist, irgendeine völlig Fremde kommt hier herein und will Ihnen beibringen, wie Ihr Computer funktioniert. Ich entschuldige mich.«
Eileen schwieg. Die junge Frau stellte ihre Tasche auf das Sofa. Hellgrün. Groß. Eine große Tasche.
»Ich bin Lucy Groves.«
»Das sagten Sie schon.«
»Tut mir leid, hier so reinzuplatzen …« Sie wirkte durcheinander. Wurde ein bisschen rot. Zog die Spange auf der einen Seite aus ihrem Haar, fummelte daran herum und machte sie wieder fest. Eileen empfand plötzlich Mitleid mit ihr. »Ich wollte mit Ihnen reden, wenn das möglich ist. Ich werde Sie nicht lange belästigen, aber es ist ziemlich wichtig.«
Dougie goss den Tee auf.
Sie war von der Polizei. Das war offensichtlich. Eine Beamtin in Zivil. Das war das Einzige, was sie sein konnte, und das war in Ordnung. Eileen verspürte ein starkes Gefühl der Erleichterung, dass jemand gekommen war, der davon wusste, so dass sie sich nicht davor drücken und nichts vorspielen musste. Es würde guttun, mit ihr zu reden. Einer netten jungen Frau. Ihre Augen waren von einem wunderschönen, tiefen Blau. Eileen hatte noch nie ein so tiefes, aber strahlendes Blau in jemandes Augen gesehen.
»Setzen Sie sich doch«, sagte sie, »bitte. Dougie wird uns eine Tasse Tee machen.« Sie sprang auf und ging an den Küchenschrank mit der Keksdose. Leer. Sie war nachlässig geworden, hatte sich um nichts gekümmert, keine Vorräte aufgefüllt. Sie sah alles auf einmal, als hätte die junge Frau es ihr vor Augen geführt. Wie sie alles vernachlässigt hatte.
»Dougie …« Sie winkte ihn aus dem Raum in den Flur. Die junge Frau blieb sitzen und fummelte wieder an ihrer Haarspange.
Weitere Kostenlose Bücher