Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
der Männer stand auf einem Tisch und hielt einen Stuhl hoch, der andere beugte sich über den Tresen und hatte die Servierkraft am Handgelenk gepackt. Simons einziger Vorteil war, dass sie betrunken und überall verstreut waren, während er nüchtern und konzentriert war, aber er war in der Minderzahl, und die anderen würden jeden Moment hereinkommen.
Wieder drückte er auf die Kurzwahltaste an seinem Handy und gab eine weitere, dringende Anforderung durch, behielt dabei die beiden Männer im Auge und versperrte die Tür, so gut er konnte. Die Frauen kreischten, und in dem Sekundenbruchteil, den Simon brauchte, um nach dem festgehaltenen Mädchen zu schauen, sprang der Mann vom Tisch und schleuderte den Stuhl Richtung Simons Kopf. Er duckte sich, doch jetzt stürzte sich der Mann selbst auf Simon, die Fäuste gegen sein Gesicht gehoben und den Fuß bereit zum Zutreten.
Sonst war niemand im Café gewesen, aber als Simon den Hieb mit dem Arm abblockte, sah er eine Gestalt in Rugbymanier losstürmen, den Angreifer packen und ihn mit verdrehtem Arm zu Boden werfen, so dass dieser vor Schmerz jaulte.
Sekunden später war der Vorhof voll mit quietschenden Reifen und rotierenden Blaulichtern, und das Café war voll von Bereitschaftspolizisten.
Der Mann, der Simons Angreifer überwältigt hatte, wischte sich die Mantelärmel ab. Er war Mitte fünfzig und gebaut wie ein Panzer.
»Kam aus dem Herrenklo und hörte das Schreien. Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ich bin verdammt froh, dass Sie da waren. Danke. Sie werden als Zeuge gebraucht. Ich bin übrigens Polizist – nicht von dieser Einheit. Ich war zum Tanken hier, als das alles losging. Die Kollegen werden Ihre Aussage aufnehmen.«
Simon schüttelte dem Mann die Hand. Wie selten, dachte er, wie fast beispiellos für einen Mitbürger, sich einzumischen, statt das Weite zu suchen. Er verdient eine Belobigung. Anerkennung durch die Presse. Einen Orden.
Jane saß in seinem Auto, die Türen verriegelt, weiß wie Kalk. Sie ließ Simon ein.
»Ich glaube, mir reicht’s«, sagte sie.
Die Straßen waren ruhig, und Simon fuhr schnell. Er hatte Cat angerufen, und das Gästezimmer war bereit. Jane schlief eine halbe Stunde lang. Das Telefon weckte sie.
»Serrailler.«
»Der Herr, der Ihren Angreifer aufgehalten hat, Sir – wissen Sie zufällig seinen Namen?«
»Nein. Hab ihn nicht danach gefragt. Ihre Leute trafen ein, daher hab ich es ihnen überlassen.«
»Ach so.«
»Was ist passiert?«
»Tja, gab anscheinend ein ziemliches Chaos, und der Kerl wollte nicht warten. Allerdings haben wir sein Auto auf der Überwachungskamera vom Vorhof entdeckt.«
»Tja, dann machen Sie ihn doch darüber ausfindig.«
»Haben wir. Das Auto ist auf einen Bischof Waterman zugelassen.«
»Sah aber nicht wie ein Bischof aus.«
»War er auch nicht, das ist es ja. Das Auto wurde von dem Bischof vor zwei Tagen als gestohlen gemeldet.«
»Kein Wunder, dass er mir seinen Namen nicht genannt hat.«
»Ein schöner Held!«
»Hören Sie, Sergeant, es ist mir egal, auch wenn er einen Bus gestohlen hätte. Alles, was mich interessiert, ist, dass er eine Faust aufgehalten hat, bevor sie mein Gesicht traf.«
»Wir brauchen eine Aussage.«
»Gute Nacht, Sergeant.«
»Als ich jünger war«, bemerkte Jane, »sagte meine Mutter immer, dass sich Freundlichkeit nicht auszahlt. Ich konnte es damals schon nicht leiden, und ich kann es immer noch nicht leiden – als ob man Freundlichkeit erweist, um dafür bezahlt zu werden. Das einzige Problem ist, und das ist sehr, sehr ärgerlich, dass es sich so oft als wahr erweist.«
»Tu eine gute Tat, und sie dreht sich um und beißt dich?«
»Manches tut das.«
»Genau. Wir nennen das Polizeiarbeit.«
»Sie fahren sehr schnell.«
»Entschuldigung.« Er nahm den Fuß ein wenig vom Gas.
»Ich nehme an, Sie besitzen automatisch Immunität.«
»Nein, wenn ich außer Dienst bin, nicht.«
»Bringen Sie mich nach Hause? Ich kann das Ihrer Schwester nicht zumuten.«
»Sie macht es gerne.«
»Ich habe das Gefühl, ich verliere mich in all dem.«
»Nein. Ihnen sind eine Reihe erschreckender Dinge passiert. Lassen Sie sich etwas abnehmen. Was ist daran falsch?«
»Ich allein muss das bewältigen. Ich sollte es zumindest.«
»Ach, um Gottes willen.«
»Ja.«
»Bei Gott bin ich mir nicht sicher. Das sollten Sie lieber wissen.«
»Warum?«
»Weiß ich nicht so genau. Cat war sich immer sicher – sie sagt, sonst könnte sie ihren Beruf nicht
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