Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
wurde? Ich finde meine Kollegen aus der Kathedrale nicht gerade einfach, aber liegt das daran, dass ich so viel jünger bin als sie und die einzige Frau? Ich komme im Krankenhaus von Bevham nicht sonderlich gut klar, weil nur wenige Patienten nach einem Geistlichen verlangen, und viele davon sind Katholiken oder Muslime, wodurch ich mich oft überflüssig fühle. Ich bin gerne im Hospiz, aber auch da gibt es ein Problem … Darüber haben Cat und ich heute Abend gesprochen.«
»Also werden Sie weglaufen.«
Sie schwieg.
»Entschuldigung. Ich weiß nicht, wie ich das sagen konnte.«
»Vielleicht, weil Sie recht haben. Ich habe mir leidgetan. Menschen, die sich leidtun, laufen oft weg. Es waren ein paar turbulente Wochen. Ihre Schwester war mir eine große Hilfe.«
»So ist Cat.«
»Sie stehen sich nahe?«
»Für gewöhnlich.«
Das Handy klingelte.
»Nathan?«
»Ich bin im Krankenhaus, Chef. Hab gerade mit dem Bruder des Mädchens gesprochen. Ist hier, um sie zu identifizieren. Da gibt’s anscheinend niemanden – der Vater des Kindes ist Grieche, Urlaubsliebschaft. War nie hier im Land. Kein anderer Freund, soweit er weiß. Sieht nicht nach einer schnellen Klärung aus. Von dem Blut wird eine DNA-Analyse gemacht. Niemand hat irgendwas gesehen oder gehört – in der Gegend ist nachmittags nie viel los. Sind Sie schon in London?«
»Vielleicht in einer halben Stunde.« Sie verabschiedeten sich, und Simon seufzte.
»Beunruhigend«, sagte Jane.
»DNA ist eine wunderbare Sache.«
»Vielleicht.«
»Die werden das Haus Ihrer Mutter danach absuchen, keine Bange. Heutzutage lässt sich eine Menge machen.«
»Wie kommen Sie damit zurecht? Sie müssen dafür doch eine Strategie haben, wie wir alle.«
»Ich schalte ab.«
»Wie?«
Er zögerte.
»Entschuldigung. Ich will Sie nicht aushorchen. Aber es ist interessant. Cat und ich hatten darüber geredet, seltsamerweise. Sie hat ihre Familie.«
»Sie haben Gott.«
»Und Sie?«
»Bin mir nicht sicher. Ich zeichne.«
»Zeichne?«
Simon bog auf den Kreisverkehr von der Autobahn zur Schnellstraße, die nach London hineinführte. Inzwischen regnete es. Ein Strom abgeblendeter Scheinwerfen kreuzte sich mit ihren, unterwegs in die Gegenrichtung.
»Bleistiftzeichnungen«, sagte er. »Es stand fünfzig zu fünfzig zwischen dem Zeichnen und der Polizei. Steht es vielleicht immer noch.«
»Sie sind also gut?«
Er zuckte die Schultern.
»Für mich war es Schwimmen.«
»Also Wasser oder Gott?«
»Was sich nicht ausschließt.«
»Es gibt ein gutes Schwimmbad in Bevham.«
»Ich hab aufgehört. Beim Sport kommt man an einen Punkt, wo man sich entweder ganz darauf einlässt, an die Spitze kommt – oder aufhört. Ich wäre nicht an die Spitze gekommen. Und selbst wenn, war mir das Schwimmen letztlich nicht genug.«
»Warum nicht?«
»Ich bin kein Wettbewerbstyp. Und das muss man sein. Aggressiv ehrgeizig. Das bin ich nicht.«
»Lafferton dürfte gut zu Ihnen passen. Keine besonders wettbewerbs- oder leistungsorientierte Stadt. Genauso wenig wie die Kirche von England, nehme ich an.«
»Oh, Sie würden sich wundern. Aber ich bin nicht wegen eines ruhigen Lebens nach Lafferton gekommen.«
»Doch Sie haben es getan, um aus London fortzukommen.«
»Eigentlich nicht. Ich hab es getan, um von meiner Mutter fortzukommen.« Sie schlug die Hände vors Gesicht. »O Gott.«
»Ist schon gut«, sagte Simon leise.
Eine knappe Stunde später stand er vor dem Haupteingang des Krankenhauses und sprach mit DI Alex Goldman von der Met. Der Mann wirkte noch jünger als Nathan Coates.
»Es geht ihr sehr schlecht. Die Ärzte haben wenig Hoffnung.«
»Das war nicht das erste Mal.«
»Muss nicht unbedingt was miteinander zu tun haben. Diesmal wurde nichts gestohlen, nichts durcheinandergebracht. Die Spurensicherung nimmt sich alles vor. Wir kriegen ihn. Sind Sie mit ihr verwandt?«
»Nein.«
Der DI warf ihm einen scharfen Blick zu. »Ah ja?«
»Einfach nein.«
»Wir müssen irgendwann mit dem Reverend sprechen.«
Simons Handy klingelte.
»Nathan.«
»Nichts Neues, Chef. Ich geh jetzt nach Hause. Mach mich morgen früh sofort wieder dran. Bei Ihnen alles in Ordnung?«
Simon zögerte. Er wollte Nathan erzählen, wo er war und warum, und dieses Bedürfnis war ihm rätselhaft. »Geht schon. Ich helfe nur einer Freundin, etwas zu regeln. Wir sehen uns morgen.«
»Wiedersehen, Chef.«
Zwei Frauen, an die hundertfünfzig Kilometer voneinander entfernt, eine jung, in ihrem
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