Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
ausüben.«
»Nein, nicht: warum nicht Gott? Warum sollte ich das lieber wissen?«
Er antwortete nicht.
»Ich begegne mehr Menschen, die sich über Gott nicht sicher sind, als umgekehrt. Ich begegne ihnen meistens an dem Punkt, an dem sie die Frage zu stellen beginnen.«
»Ich stelle die Frage nicht.«
»Auch gut. Aber ich bin nicht Priesterin geworden, um den Bekehrten zu predigen, wobei ich das anscheinend die meiste Zeit tue.«
»Sie arbeiten lieber im Krankenhaus als in der Kathedrale?«
Jane lehnte erschöpft den Kopf zurück. »Ich weiß es nicht, Simon. Ich weiß ehrlich nicht, ob irgendwas davon funktioniert. Ich hatte daran gedacht, Nonne zu werden.«
»Allmächtiger Gott.«
»In der Tat.«
»Ich bin froh, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.«
»Da bin ich mir nicht sicher.«
»Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst?«
Sie waren auf der Umgehungsstraße von Lafferton und auf dem Weg zum Bauernhaus der Deerborns. Simon merkte, dass er zu lange gefahren war. Er würde dafür sorgen, dass Jane gut untergebracht war und sich dann zum Schlafen auf das Sofa in der Küche legen. Für eine weitere zwanzigminütige Fahrt zurück nach Lafferton war er zu müde.
»Zweimal im Jahr ziehe ich mich in ein Kloster zurück. Manchmal denke ich daran, dort zu bleiben.«
Darauf hatte er nichts zu sagen. Die Vorstellung stieß ihn ab, aber es war zu viel passiert, als dass er unbefangen nach dem Warum fragen konnte. Er bog in die Einfahrt zum Bauernhaus. Oben und unten brannte Licht. Es war nach zwei.
Chris war in der Küche, um Milch warm zu machen, und oben weinte Felix.
»Hi. Schlimme Nacht?«
»Schlimme Nacht«, bestätigte Simon.
»Sie sind Jane, ich bin Chris. Bin gerade nach Hause gekommen.«
Zehn Minuten später sprach Jane oben mit Cat, die Felix beruhigt hatte. Chris hatte ihnen beiden heiße Schokolade gebracht.
»Whisky«, sagte er, als er in die Küche zurückkam.
»Das ist ein Wort. Ich schlafe hier, wenn das in Ordnung ist, ich kann nicht mehr heimfahren.«
»Klar. Ihre Mutter ist gestorben?«
»Erstaunlich, dass sie es überhaupt bis ins Krankenhaus geschafft hat bei all ihren Verletzungen. Ich hab mit dem DI gesprochen, der den Fall bearbeitet.«
»Was ist bloß los, Si? Eine meiner Patientinnen wurde in ihrem Garten ermordet, und heute Abend wurde ich ins Hospiz gerufen, weil da eine Leiche lag. Der Kerl hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten. Irgendeine arme Frau, deren Mann gerade gestorben war, ging in den Garten, um Luft zu schnappen, und fand ihn.« Chris ließ sich aufs Sofa fallen. »Mir steht’s bis hier.«
»Nehmt das Wochenende frei. Ma kann sich um die Kinder kümmern.«
»Sie wird nicht mit Felix fertig. Bin mir nicht sicher, ob sie überhaupt noch mit den anderen fertig wird, um ehrlich zu sein. Wir haben uns ein wenig Sorgen um sie gemacht.«
»Ich sollte endlich mal wieder hinfahren. Hab immer so viel um die Ohren. Zu dumm. Was fehlt ihr?«
»Weiß nicht. Cat wollte, dass sie sich untersuchen lässt, aber das macht sie natürlich nicht. Ich würde am liebsten abhauen, Si.«
»Dachte, du wolltest wieder im Krankenhaus arbeiten. Dass du es bloß satt hättest, Allgemeinarzt zu sein.«
»Ich hab alles satt, Punkt.«
Da kam sie wieder, die Drohung, die Simon abzuwehren versuchte, dass der neue Anfang Australien bedeutete. Das und Jane Fitzroys Drohung …
»Du könntest auf dem Campingbett in Sams Zimmer schlafen«, sagte Chris und stand auf. »Oder ich kann es dir in Cats Büro stellen.«
»Ich bin zu lang für das Campingbett, und Sam wacht um halb sechs auf.«
»Na dann, mach’s gut.«
Simon holte sich eine Decke und ein Kissen aus dem Spielzimmer. Er mochte die Küche. Sie war warm und gab ein schwaches, tröstliches Summen ab. An der Spülmaschine leuchtete das rote Licht. Nach ein paar Minuten hörte er das Zuschlagen der Katzenklappe und spürte, wie Mephisto aufs Sofa sprang, sich in Simons Kreuz zusammenrollte und zu schnurren begann.
Dreiundfünfzig
D er Lärm war das Schlimmste. Der Rest machte ihr nichts aus, nur der Lärm. Krachen, Rattern, Brüllen, Scheppern. Alles hier war aus Metall, alles machte Krach. Teller und Türen und Treppen und Flure und Schlüssel. Niemand ging, ohne dass einem die Schritte im Kopf nachklangen, niemand sprach, ohne dass die Stimmen durch die Metalltreppenhäuser hallten. Tagsüber war es schon schlimm, aber die Nächte waren noch schlimmer. Jemand begann zu brüllen, jemand brüllte zurück, jemand schrie, jemand
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