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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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schließlich nach.

Sechsundfünfzig
    S am, hör auf damit. Wie oft hab ich dir gesagt … Lass sie in Ruhe. Du machst alles nur noch schlimmer, wenn du sie piesackst. Geh und schau nach, ob Eier da sind.«
    »Hab ich schon, und da sind keine.«
    »Geh und lies.«
    »Ich hab schon alle meine Bücher gelesen.«
    »Dann lies halt eins davon noch mal.«
    Sam warf ihr einen mitleidigen Blick zu und schlenderte davon, schlurfte dabei mit den Füßen.
    »Müssen sie so viel Krach machen? Ich versuche Zeitung zu lesen«, sagte Chris.
    »Wie schön für dich.«
    »Entschuldige, aber du warst nicht die halbe Nacht auf.«
    »Von wegen. Ich war die halbe Nacht auf, mit Felix.«
    »Das ist nicht dasselbe.«
    »Tja, mach dir keine Sorgen, in Kürze wirst du nie mehr Nachtdienst machen müssen. Wenn das neue System eingeführt wird, kannst du schlafen – ich wollte sagen, wie ein Baby, bloß hab ich nie ein Baby gekannt, das schläft –, kannst du schlafen, und wenn du meinst, das sei prima, dann ist es prima.«
    Chris senkte die Zeitung. »Ich möchte keinen langweiligen politischen Streit über Gesundheitspolitik. Es ist Samstagnachmittag, es ist warm und sonnig, und ich versuche alles zu vergessen, was mit Medizin, dem National Health Service, Nachtdienst, Tagesdienst, Patienten, Sprechstunden und so weiter zu tun hat.«
    »Glaubst du, dass ich mich über all das streiten will? Glaubst du, so stelle ich mir ein fröhliches Wochenende vor?«
    »Mummy, Sam hat meine Rapunzel-Barbie in den Hühnerdreck geworfen.«
    Cat schloss die Augen. »Du glaubst, ich verstehe dich nicht, aber ich tu’s. Ganz ehrlich.«
    »Ja, ja.«
    »Gott, du bist so ein verdammter Macho. Hör zu, es liegt nicht an dir, es liegt am System. Du weißt, wie es mal war. Als Mum und Dad praktizierten, konnten Ärzte im Krankenhaus anfangen, eine Allgemeinpraxis aufmachen, dann als Konzilärzte teilweise ins Krankenhaus zurückkehren – das machte sie zu besseren Ärzten. Auf jeden Fall zu Ärzten mit einem breiteren Spektrum. Doch das ist jetzt nicht mehr möglich. Oder es ist möglich, aber …«
    »Ich bin zu alt. Das ist mir in letzter Zeit ziemlich oft gesagt worden.«
    »Wenn du es machen willst, unterstütze ich dich, das hab ich dir ja gesagt.«
    »Vergiss es.«
    Chris war wütend, sein Stolz war verletzt, er war frustriert. Cat wusste das, und es machte ihr etwas aus. Auch seine Reaktion machte ihr etwas aus. Er wollte die Allgemeinpraxis verlassen und umschulen, damit er in der klinischen Psychiatrie arbeiten konnte, und er hatte herausgefunden, dass es nur möglich war, wenn er wieder als eine Art Assistenzarzt anfing, mit etwa einem Viertel seines jetzigen Gehalts, und sich dann hocharbeitete. Er war einundvierzig. Zehn Jahre?
    »Ich hasse es, wenn du unglücklich bist. Niemand sollte sich so fühlen. Nur weil ich das nicht tue, heißt es nicht, dass ich kein Mitgefühl habe.«
    »Das sagst du immer wieder.«
    »Mummy …« Hannah kam brüllend über das Gras auf sie zu, Tränen der Wut strömten ihr über das Gesicht, ihre Hände waren dreckig.
    Cat stand auf. »Na gut, wenn er die Barbie tatsächlich in den Hühnerdreck geworfen hat, kriegt er eine Abreibung. Aber wenn es an dem lag, was du mit ihm gemacht oder zu ihm gesagt hast, Hannah, dann bist du dran. Komm mit.«
    Chris sah ihnen nach, seiner Frau, seiner Tochter, Cat forsch, geradlinig, unparteiisch, Hannah war nicht so. Hannah war eher das, was Sam einen Schlappschwanz nannte. Chris wandte sich wieder seiner Zeitung zu, überlegte es sich anders und ging ins Haus. Zehn Minuten später waren Sam und Hannah beide in ihren Zimmern, mit der Auflage, erst in einer halben Stunde wieder herauszukommen, und Chris hatte einen Krug Eiskaffee gemacht und ihn in den Garten gebracht, wo Cat inzwischen die Zeitung übernommen hatte.
    »Was halten wir davon?«, fragte sie und blickte auf.
    »Wovon?«
    »Max Jameson.«
    »Ach so.«
    Die gerichtliche Untersuchung war eröffnet und vertagt worden, bis weitere Ergebnisse vorlagen, aber das Urteil würde auf Selbstmord lauten. Es gab keine verdächtigen Begleitumstände. Max hatte sich auf eine Bank im Garten des Hospizes gelegt und sich die Pulsadern aufgeschnitten, und seine Leiche war schließlich herabgerollt und im Gras gelandet. Der Polizeibericht war unvollständig. Cat hatte eine Aussage gemacht und musste möglicherweise noch vor dem Untersuchungsrichter erscheinen. Sie blickte hinab auf die Zeitung, auf das Foto von Max, die Augen voller

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