Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
warten.«
Während er rasch auf die Straße ging, wo er besseren Empfang hatte, verfluchte Nathan Joe Carmody. Trotz seiner Berichte an den DCI war Carmody für weitere sechs Monate von Lafferton übernommen worden. »Sehr hübsch«, hatte Carmody mit einem Grinsen gesagt. »Füße unter den Tisch, oder was?« Für ihn schien es ein ruhiger Posten zu sein. Nathan wusste, dass sich das als Irrtum erweisen würde, aber seine eigene Frustration wuchs, und ihm war in den letzten Tagen klar geworden, dass das nicht grundsätzlich mit Joe Carmody zu tun hatte. Carmody war nichts als ein Floh.
Er trat auf die Straße und rief zurück. »Chef?«
»Wo sind Sie, Nathan?«
»Draußen vor Toddy’s …«
»Haben Sie zu wenig zu tun oder was?«
»Ich wollte DC Carmody nicht allein losschicken, Chef, der ist eine wandelnde Zeitbombe.«
»Oh, werden Sie erwachsen, Nathan. Lassen Sie’s. Und kommen Sie aufs Revier zurück. Wir fahren nach Yorkshire.«
Neunundfünfzig
K ommen Sie herein, Jane.«
Geoffrey Peach ging um seinen Schreibtisch herum und ergriff ihre Hand. Er war gestern am späten Abend aus seinem Schwedenurlaub zurückgekommen, woher seine Frau stammte. Jetzt war es kurz nach halb neun, und Jane war die Erste, die er in seinem Arbeitszimmer empfing. »Meine Liebe, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut. Es ist absolut schrecklich. Wenn ein Elternteil stirbt, ist das immer schwer, aber dann noch auf diese Weise … Gibt es etwas Neues von der Polizei?«
»Bisher nicht.«
»Und wie geht es Ihnen, Jane? Ich mache mir Sorgen.«
Sie lehnte ihren Kopf an die Sessellehne und sah sich in dem gemütlichen Zimmer um. Bücher. Papiere. Bilder. Ein kleiner Tisch mit einem Kreuz und einer Kniebank davor. Fotos, von Kindern und Enkelkindern, von Hochzeiten und Taufen, von schwedischen Seen und Bergen, von kleinen Hunden und großen Pferden. Durch die ruhige und friedvolle Atmosphäre, durch das Gefühl von Liebe und Gebet schien der Raum eine Erweiterung der Kathedrale zu sein. Es wäre leicht, sich zurückzulehnen und alles in sich aufzunehmen, es über sich hinwegspülen und einsickern und sich davon heilen zu lassen, das Gleichgewicht wiederzufinden. Leicht.
»Was immer Sie möchten – was immer das Richtige für Sie zu sein scheint. Sagen Sie es mir.«
Sie blickte Geoffrey an. Hochgewachsen. Eher unbeholfen. Eckig. Knochige Gesichtszüge. Tiefliegende Augen. Sie respektierte und mochte ihn. Sie hatte hier sein wollen, um mit diesem Dean zu arbeiten, mehr als alles andere. Und nun?
»Zu viel ist Ihnen in zu kurzer Zeit zugestoßen. Sie müssen ein wenig kürzertreten.«
»Mehr als das«, sagte Jane. »Geoffrey, ich glaube nicht, dass ich hier bleiben kann. Ich glaube nicht, dass es der richtige Ort für mich ist.«
Er schüttelte den Kopf. »So empfinden Sie das jetzt. Doch es wäre eine in Hast und unter Schock getroffene Entscheidung. Die nie die besten sind, wie Sie sicherlich wissen.«
»Ich weiß. Aber es hat nichts mit dem zu tun, was passiert ist … Max Jameson, meine Mutter … Ich war davon überzeugt, dies sei der Ort, an den ich gehöre. Ich wollte, dass es so ist. Aber es stimmt nicht. Ich bin nicht richtig für die Kathedrale, für Lafferton – und sie sind nicht richtig für mich. Das wäre genauso wahr, wenn nichts von den Dingen passiert wäre. Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Geoffrey.«
Ein langes Schweigen entstand. Irgendwo wurde eine Tür geschlossen. Eine weitere. Dann wieder Stille.
»Ich werde Sie nicht durch die Frage beleidigen, ob Sie sorgfältig darüber nachgedacht und gebetet haben. Das haben Sie ganz eindeutig getan. Das weiß ich. Aber wenn Sie das Gefühl haben, dass Lafferton nicht richtig für Sie ist, was wollen Sie dann machen? Was erscheint Ihnen als der richtige Ort? Zu gehen, ist leicht – das Wohin ist es, das gut überlegt sein will.«
Er hatte recht, und Jane wusste das.
»Darf ich Sie um Ihren Rat bitten?«
»Wenn ich Ihnen helfen kann, werde ich das natürlich tun. Ich könnte in der Lage sein, die Dinge mit ein bisschen Abstand zu sehen. Aber nur ein bisschen, Jane – ich möchte Sie hierbehalten, ich schätze Sie und möchte nicht, dass Sie uns verlassen. Ich glaube nicht, dass Sie uns verlassen sollten. Also erwarten Sie keine unvoreingenommene Beurteilung.«
»Das bedeutet mir viel. Ich danke Ihnen.«
»Es ist aufrichtig gemeint, wie Sie hoffentlich verstehen.«
»Ja. Vielleicht würde jemand anderer an meiner Stelle
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