Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
funktionieren. Sie war keine von denen, die man mürbe machen konnte. Jemals. Und doch konnte er es nicht gut sein lassen und zurück nach Lafferton fahren. Lose Enden.
»Ich gehe diesmal ohne Sie rein. Nehme jemand von deren Team mit.«
»Geht klar, Chef.«
»Das ist nicht gegen Sie gerichtet, Nathan.«
»Nein, ist schon gut. Mir ist überhaupt nicht danach, sie heute noch mal zu sehen. Ich werde Em anrufen.«
»Wie geht es ihr?«
»Bestens, danke. Bekommt ihr. Wirkt richtig rosig, wissen Sie?«
Simon lachte. Er erinnerte sich an seine Schwester, schwanger mit ihrem jüngsten Kind. »Rosig.«
Ihm ging auf, dass er nie erfahren würde, wie es war, eine Frau zu haben, die »rosig« mit seinem eigenen Kind war. Er wusste es instinktiv, genauso wie er wusste, dass Ed Sleightholme schuldig war. Man ignorierte solche Gefühle nicht, selbst wenn man ihnen machtlos ausgeliefert war.
»Bin froh, wenn ich hier wegkomme, froh, nach Hause zu kommen.«
Ein Streifenwagen raste mit gellenden Sirenen vom Vorhof. Noch einer.
»Wo ist der Unterschied?«, fragte Simon.
Einundzwanzig
D as nächste Verhör mit Ed Sleightholme war für zehn Uhr angesetzt. Um halb zehn saß Serrailler in Jim Chapmans Büro mit einer Plastiktasse schlammgrauem Kaffee und DC Marion Coopey. Simon hatte darum gebeten. Er wollte, dass sie mit Ed sprach.
»Die kriegen Sie nicht klein«, sagte sie nun. »Sie hat mich einfach niedergestarrt, und das wird sie mit Ihnen auch machen. Wie kommt das Spurensicherungsteam voran?«
»Sie waren in den Höhlen – an den Stränden, auf den Klippenpfaden – nichts. Jetzt sind sie in dem Haus. Sie haben das Auto, und ein anderes Team nimmt es auseinander. Wir könnten Glück haben. Aber ich will ihr Geständnis. Ich will, dass sie redet.«
»Sie geht Ihnen unter die Haut.«
»Natürlich. Ihnen etwa nicht?«
Die Kriminalbeamtin zuckte die Schultern. Sie trug ein cremefarbenes T-Shirt und einen kurzen Leinenrock. Sie wirkte kühl. »Eigentlich nicht. Ich versuche, so was nicht an mich heranzulassen.«
»Wenn ich das nicht von Zeit zu Zeit täte, bekäme ich das Gefühl, die Arbeit wäre es nicht wert.«
»Weil es zeigt, dass Sie engagiert sind?«
Er ließ seinen Kaffee kreisen und ging nicht darauf ein. »Glauben Sie, dass sie eine Psychopathin ist?«, fragte er schließlich.
»Vermutlich. Andererseits will sie Genugtuung. Aber das ist das Übliche. Es ist wie ein Jucken … irgendwann muss man sich kratzen. Der Drang ist zu groß, und die Befriedigung ist groß … für eine Weile. Bis es wieder zu jucken beginnt.«
»Warum Kinder? Was bringt eine Frau dazu, Kinder zu entführen?«
»Warum die Betonung auf ›Frau‹? Was bringt irgendjemanden dazu, Kinder zu entführen?«
»Es ist ein überwiegend männliches Verbrechen. Das wissen Sie.«
»Trotzdem verstehe ich nicht, wieso die Motive unterschiedlich sein sollen.«
Er dachte darüber nach. »Vielleicht … vielleicht sind sie das nicht. Aber entweder ist der Wunsch, Kinder zu entführen und sie womöglich zu töten, bei Frauen selten, oder Frauen unterdrücken ihn bereitwilliger … Irgendwas zensiert es sehr stark.«
»Und in diesem Fall fehlt der Zensor?«
»Muss so sein. Sie hat es nicht nur einmal getan, sie hat es wieder und wieder getan. Jungen und Mädchen. Kein Gewissen, keine Hemmschwelle … ergreife die Gelegenheit. Befriedigung. Warum?«
»Aus sexuellen Gründen. Das ist doch immer so.«
»Bei Männern.«
»Warum nicht bei Frauen?« Sie klang aggressiv. Sie hatte ihn beim Wickel und wusste es. »Hören Sie, falls Sie glauben, Frauen seien empfindsamer, was Kinder betrifft, weil sie die Kinder gebären, wohingegen Männer, die sie zeugen, das nicht sind – dann ist das Schwachsinn. Und warum sollen weibliche sexuelle Gefühle nicht genauso stark sein wie männliche?«
»Aus keinem Grund, wenn Sie normale sexuelle Gefühle meinen, aber in diesem Fall sind die Gefühle nicht normal, oder?«
»Warum soll das wichtig sein?«
»Es muss einen Grund geben, irgendwo … Warum will sie das tun? Warum will irgendjemand dieses spezielle Verbrechen begehen?«
»Ich kenne die üblichen Erklärungen.«
»Emotionale Mangelsituation in der Kindheit … Missbrauch … möglicherweise Pflegeeltern oder Heim … das Fehlen enger und vertrauensvoller Beziehungen in der Jugend …«
»Und so weiter, bla, bla, bla.«
»Sie kaufen das nicht ab?«
»Weiß nicht. Ist als Erklärung für die meisten Verbrechen so ausgelatscht. Da muss
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