Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
ist ja gut.«
Sie gingen. Alle bis auf einen. Er stand an der Tür, hinter ihr.
Sie drehte sich um. Sah ihm ins Gesicht.
Er. Kurzes Entsetzen packte sie, führte ihr blitzartig den Felsvorsprung vor Augen, und dann glaubte sie, wieder zu fallen, ihr wurde schwindelig, in ihren Ohren summte es, sie fiel, nicht er. Nicht wie in ihrem Traum.
Er.
Er hatte einen anderen dabei, mit einem Gesicht wie eine zermatschte Rübe.
Sie starrte ihn an. Dann den Blonden.
»DCI Simon Serrailler. DS Nathan Coates. Verhör von Edwina Sleightholme, Zeit …«
Das übliche Brimborium. Sie musste aufpassen. Sie richtete sich auf. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich vorzubereiten. Sei vorsichtig.
Sie starrte ihn an. Aber es war das Rübengesicht, das sprach.
»Welchen Beruf haben Sie, Edwina?«
»Ed.« NEIN. Sag nichts. Sie konnte es bloß nicht ertragen. Wina war sie gerufen worden, als sie klein war. Konnte das nicht aussprechen, Wina. Mutter hatte sie Weeny genannt. Himmel. Aber dann hatte sie entschieden. Ed hieß sie, und Ed blieb sie.
»Sagen Sie uns, was Sie beruflich gemacht haben.«
Sie starrte ihn an.
»Sie sind gereist.« Er warf einen Blick auf seine Unterlagen. »Spielautomaten. Sie haben was mit Spielautomaten gemacht … einarmige Banditen, so was in der Art.«
Sie biss sich auf die Zunge.
»Stimmt das oder nicht?«
Sie nickte.
»Was davon?«
Nichts. Halt die Klappe.
»Gehörte der Mondeo zu dem Job? Ein Firmenwagen?«
Sie lächelte. Konnte nicht anders. Firmenwagen.
»Hat Sie gut durchs Land gebracht, nicht wahr? Kein schlechtes Auto. Recht schnell. Großer Kofferraum.«
Schweigen.
Sie blickte zur Decke. Da war ein seltsamer Fleck. Keine Spinnweben.
»Wie lange haben Sie von hier nach Lafferton gebraucht, Ed?« Blondschopf jetzt. Er hatte eine angenehme Stimme.
»Wo ist Lafferton?«
»Lafferton ist der Ort, wo Sie David Angus entdeckt haben, der an seinem Tor auf seine Mitfahrgelegenheit zur Schule gewartet hat.«
Sie starrte auf den Tisch. Ihr Herz klopfte. Sie könnten den Puls an ihrem Hals sehen, also beugte sie den Kopf nach vorne. Sie sah ihn ganz deutlich vor ihrem inneren Auge. Die Kappe. Schultasche. Das Tor. Spürte, wie das Auto langsamer wurde, als sie an den Randstein fuhr. Eine Hand drückte ihr das Herz zusammen, wie man einen Mopp ausdrückt.
»Was ist los?«
Starr auf den Tisch. Starr darauf. Blick nicht auf.
»Was haben Sie zu ihm gesagt, damit er einstieg? Oder haben Sie gar nichts gesagt? Haben Sie ihn hereingezerrt? Hat er sich gewehrt?«
Nein, er war einfach mitgekommen. Hatte ihr geglaubt. War eingestiegen. Nicht wie die anderen. Sie sah sein Gesicht ganz deutlich. Hörte seine Stimme. Er hatte viel geredet. Den ganzen verdammten Weg hatte er geredet, sie ständig gefragt, gequengelt. Sie hasste Quengler. Quengel nie. Das hatte sie verdammt schnell gelernt. Klappe halten.
»Haben Sie ihn geschlagen? Haben Sie ihn geknebelt? Wo haben Sie ihn hingebracht, Ed?«
Sie fragten jetzt beide, spielten Ping-Pong mit ihr, einer nach dem anderen. Sie wollte sie auslachen. Es war leicht, nachdem sie erkannt hatte, dass sie keine Ahnung hatten. Leicht. Sie war clever, und das musste man sein, es brachte nichts, sich vorzumachen, dass sie nicht auch clever waren, da irrten sich die Leute. Diese Kerle waren nicht dumm. Nur sie war cleverer.
»Haben Sie David in die Höhle gebracht, Ed? Haben Sie dort seine Leiche versteckt?«
Großer Gott. Sie spürte das Blut hinter ihren Augen pulsieren. Für eine Sekunde hatten sie sie erwischt; sie hatte nicht erwartet, dass sie zwei und zwei zusammenzählen und damit herausplatzen würden, peng, einfach so. Das war nicht fair. Sie spielten nicht fair.
»Ich will einen Anwalt.«
Er lächelte. Das Rübengesicht. Sie wollte ihm in seine hässliche Fresse schlagen.
»Warum?«, fragte Blondschopf. »Warum jetzt plötzlich?«
»Ja, was hat Sie dazu gebracht, Ed? Die Höhle, nicht wahr?«
Sie sackte auf ihrem Stuhl zusammen und schob ihn ein wenig zurück, damit sie auf ihre Füße schauen konnte. Um die beiden Männer nicht zu sehen. Um nicht in ihre Gesichter blicken zu müssen. In ihre Augen.
Sie hörte die Höhle im Kopf, die Echos, das Geräusch des Meeres draußen. Sie ging in der Höhle umher. Bis ganz nach hinten. Sie roch den Seetang. Kalten Seetang. Feuchter Sand. Sie hatte die Höhle geliebt. All diese Höhlen. Das hatte schon vor Jahren begonnen. Sie hatte in einer geschlafen. Hatte es gewagt. Sie hatte sie gefunden, und sie
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