Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
explodierte vor Kummer und Wut, und ich kam ihm in den Weg. Ich glaube, er braucht Hilfe. Na ja, das ist ja offensichtlich.«
»Sie könnten durchaus recht haben, aber sind Sie die richtige Person, sie ihm zu geben?«
»Weil ich Priesterin bin?«
»Nein, wegen dem, was er getan hat – das kann man nicht außer Acht lassen, nicht wahr? Sie haben ihn nicht angezeigt, doch sein Verhalten war schon extrem, und Sie standen deswegen unter Schock, um es milde auszudrücken. Vielleicht sollten Sie sich ein wenig zurückhalten? Max ist mein Patient – lassen Sie mich das machen.«
»Das ist aber nur ärztliche Hilfe … Vielleicht braucht er die ja auch, nur möchte ich ihm sagen, dass alles gut ist.«
»Und dass Sie ihm vergeben?«
»Genau. Sie denken sicher, dass es scheinheilig klingt.«
»Nicht im Geringsten. Wie wär’s, wenn Sie ihm schreiben, falls Sie meinen, ihm das sagen zu müssen?«
»Oh, das könnte ich nicht, das wäre so kalt.«
Und du, dachte Cat und betrachtete sie, bist genau das Gegenteil – und vielleicht mehr, als dir guttut. Sie betrachtete Jane Fitzroys Profil, umgeben von dem vollen, krausen Tizian-Haar. Sie war nicht nur schön, sondern hatte auch ein charaktervolles Gesicht – ein ungewöhnliches, nachdenkliches, intelligentes Gesicht. Ihre Haut war beneidenswert, wie cremefarbene Gardenien, ihre Augen waren von einem grünfleckigen Haselnussbraun, groß und mit direktem Blick. Sie würde nicht so leicht in den Hintergrund treten, hatte aber unter der oberflächlichen Beklemmung und Anspannung eine Ruhe und eine Tiefe in sich.
»Ich muss nach Hause.« Cat erhob sich. »Hören Sie, tun Sie, was Sie für nötig halten, aber seien Sie vorsichtig. Gott, wie bevormundend, natürlich werden Sie das sein. Und machen Sie einen Termin in meiner Praxis aus. Hier spricht Ihre Ärztin.«
Zwei Stunden später, nach dem Abendessen, machte sich Jane auf die Suche nach Rhona Dew. Rhona schnitt auf einem langen Tisch ein Kleid zu, in dem ehemaligen Spielzimmer im obersten Stock des Hauses; die Dows hatten drei Söhne, die alle nicht mehr zu Hause lebten, einer studierte noch, die anderen beiden waren Priester, beide im Ausland. Jane vermutete, dass Rhona ihr unter anderem deshalb so bereitwillig Unterkunft gewährt hatte, weil sie sich nach Gesellschaft sehnte und die Leere des großen Hauses füllen wollte. Sie war dankbar. Aber sie wusste auch, dass sie ausziehen musste.
»Setzen Sie sich, meine Liebe, nehmen Sie einfach das Zeug von dem Stuhl. Wenn ich beim Nähen bin, lasse ich das Zimmer regelrecht verwahrlosen, das scheint zu helfen.«
»So ein schöner Stoff – was wird das?«
»Hier.« Rhona schob ihr das Schnittmuster zu. »Ich brauche etwas Schickeres – bei all den Gartenpartys und Festen und Hochzeiten und Teegesellschaften mit dem Bischof von jetzt bis September, und alles aus meinem Schrank ist über die Jahre schon viel zu oft getragen worden.«
»Ich kann nicht mal eine Nadel einfädeln.«
»Tja, dafür können Sie andere Dinge. Nehmen Sie ein Stück Schokolade.«
Eine große Tafel Galaxy lag offen neben der Nähmaschine. Rhona Dew war eine korpulente Frau, und nach vierundzwanzig Stunden unter ihrer Obhut wusste Jane, warum.
»Ich wollte Ihnen sagen, dass ich heute Abend ins Gartenhaus zurückkehre. Sie waren wunderbar, und es hat mir sehr geholfen, hier zu sein, aber ich muss zurück, Rhona. Ich weiß, dass Sie es verstehen werden.«
Über Rhonas Gesicht huschte ein Ausdruck, den Jane nur allzu leicht entziffern konnte. Wenn sie ging, würde das Haus wieder leer sein. Rhona beschäftigte sich, so gut sie konnte, aber Joseph war viel unterwegs, und es war offensichtlich, dass sie einsam war.
»Ich werde nicht versuchen, Sie davon abzuhalten, meine Liebe. Nur müssen Sie mir versprechen, dass Sie wieder hierher kommen, wenn Sie nach dieser Geschichte dort unten nicht glücklich sind. Selbst mitten in der Nacht. Das würde uns überhaupt nichts ausmachen.«
»Ich verspreche es Ihnen. Vielen Dank.«
»Dann lassen Sie mich Ihnen wenigstens ein paar Sachen zusammenpacken. Sie werden Brot brauchen und Milch und …«
»Nein, ich fahre hinüber in den Supermarkt. Ehrlich. Ich muss wieder zur Normalität zurückkehren, Rhona.«
Rhona Dew seufzte und brach ein weiteres Stück Schokolade ab.
Der auch nachts geöffnete Supermarkt an der Bevham Road war nichts, was Jane je als Zufluchtsort bezeichnet hätte, aber als sie auf den Parkplatz bog und die vielen bunten
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