Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
schwergefallen, bis Marie lächelnd die Haustür geöffnet hatte, und danach war alles gut gewesen. Besser als gut. Am nächsten Sonntag waren es Keith und seine philippinische Frau Leah gewesen, die zum Sonntagslunch einluden, diesmal ein Barbecue, das Ken in die Hand genommen hatte, weil er Koch war und davon überzeugt, Frauen könnten Fleisch nicht ordentlich zubereiten.
Dougie zu heiraten hatte bedeutet, seine Familie zu heiraten. Bei ihrer Hochzeit waren nur sie dabei gewesen, die Jungs, die Schwiegertöchter, die Enkelkinder, das ganze Standesamtsbüro voll von ihnen.
Eileen hatte vor Glück geweint und wegen Dougies Freundlichkeit, weil sie aus der Einsamkeit in eine große Familie gekommen war. Und weil weder Jan noch Weeny dabei gewesen waren.
»Was soll das heißen, du heiratest wieder, wovon sprichst du, Mutter?«, hatte Jan mit bebender Stimme gesagt. »Was denkst du dir dabei? Was ist mit uns? Du kannst doch nicht irgendeinen fremden Mann heiraten.«
Eileen hatte ihr alles in einem fünfseitigen Brief erklärt, hatte denselben Brief auch an Weeny geschrieben und Fotos geschickt, jede Menge, von Dougie, den Jungen, den Kindern, den Hunden, Campbells und Maries Wohnwagen.
»Er ist kein fremder Mann. Ich hab dir alles über ihn erzählt.«
»Ich weiß nicht, was du dir dabei denkst, in deinem Alter noch mal zu heiraten.«
»Ich habe mir jemanden gesucht, der sich um mich kümmert und mir im Alter Gesellschaft leistet«, hatte sie geantwortet, »damit du das nicht tun musst.«
Das hatte Jan den Mund gestopft. Aber sie war nicht zur Hochzeit gekommen.
»Es ist einfach zu weit.«
»Es gibt Züge. Du kannst sogar von Aberdeen aus fliegen. Ich bezahle dir den Flug.«
Sie dachte, das hätte funktioniert. Jan hatte zugestimmt. Eileen hatte ihr das Geld geschickt. Nur war angeblich in letzter Minute eines der Kinder krank geworden, und Jan konnte es nicht allein lassen.
»Ich glaube ihr nicht«, hatte sie zu Dougie gesagt. »Ich glaube nicht, dass sich Mark irgendwas eingefangen hat. Sie will nur nicht kommen. Sie hatte nie vor zu kommen.«
Das Geld hatte Jan allerdings behalten.
Wenn sie gehofft hatte, dass eine ihrer Töchter zur Hochzeit kommen würde, dann nicht Weeny, das war ihr klar. Nicht nach der Nachricht.
Auf der Karte waren Primeln gewesen, und Weenys Schrift war sehr ordentlich. Sie schrieb, sie müsse für ihren Job als »Vertreterin« zu viel »reisen«. Eileen hatte keine Ahnung, worum es bei Weenys Job ging. Sie fragte sich, was sie falsch gemacht hatte – nicht jetzt, durch die Heirat mit Dougie, sondern damals, als ihre Töchter noch klein waren. Ihr fiel nichts ein. Cliff war stolz auf Weeny gewesen. Er hatte ihr beigebracht, hart im Nehmen zu sein, aber die Schwestern hatten seit Weenys Geburt ständig gestritten, bis Jan ausgezogen war, um mit Neil zusammenzuleben. Sie hatten um Aufmerksamkeit, Zuneigung, Taschengeld, das größte Zimmer, das erste Stück Kuchen und das letzte Bonbon aus der Tüte gekämpft. Das Haus war zweiundzwanzig Jahre lang ein Schlachtfeld gewesen, und als sie beide innerhalb weniger Monate auszogen, hatte Eileen das Gefühl gehabt, ein langer, langer Krieg sei zu Ende. Aber Cliff hatte es schwer getroffen. Cliff hatte von dem Moment an, als Weeny das Haus verließ, nichts mehr zu sagen gewusst.
Eileen saß in der Sonne, den Mantelkragen gegen den Wind hochgeschlagen, und schaute hinaus auf das glitzernde Meer, das in kleinen Schaumwellen auf den Strand rollte. Ein Gedicht aus ihrer Schulzeit kam ihr in den Sinn. Sie leben von knusprigen Pfannkuchen, aus gelbem Gezeitenschaum.
Die Möwen schaukelten auf dem sonnenhellen Wasser.
»Hier, Liebes, heiß und süß.«
Niemand außer Dougie Meelup hätte dem Standbesitzer ein Tablett abschwätzen können, der Tee nicht in Plastikbechern, sondern in Porzellantassen mit Untertassen, und dazu zwei Stücke selbstgemachter Fruchtkuchen auf einem Teller.
Eileen sah zu ihm hoch. Er stellte alles vorsichtig neben sie auf die Bank.
»Womit habe ich dich nur verdient?«, fragte sie und meinte das ernst.
»Hör auf.« Mit einem Seufzer lehnte er sich auf der Bank zurück. »Wunderschön«, sagte er, schaute hinaus aufs Meer. »Ist das nicht schön? Bist du froh, dass wir hergekommen sind?«
Gemeinsam mit ihm blickte sie zu den Möwen, die auf dem Wasser schaukelten. Jahre, dachte sie, Jahre und Jahre und Jahre lang denkt man, das ist es, so sind die Karten nun mal verteilt, man muss halt das Beste daraus
Weitere Kostenlose Bücher