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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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ausüben und essen und schlafen und autofahren und mit den Leuten in Geschäften und Bussen reden konnten. Sie hörten keine Stimmen, die sie bedrängten, oder hatten Anfälle rasender Besessenheit, bei denen sie sich so verhielten, wie man es von Irren erwartete, nackt mitten auf der Straße ausrasteten, irrwitzig herumtanzten und sangen, die Augen verdreht, das Hirn ein Kaleidoskop wirbelnder, zufälliger Ängste.
    Kalt, berechnend, gefühllos. All das und mehr war Ed Sleightholme, aber sie war, nach Ansicht des DCIs, nicht geistesgestört und schuldunfähig. Er wusste, dass eine psychologische Einschätzung vorgenommen wurde, und er war sich ziemlich sicher, dass sich der zuständige Gutachter nicht zum Narren halten lassen würde, welche Tricks Sleightholme auch immer anzuwenden versuchte.
    Er drehte sich mit seinem Stuhl um. Er musste zu Marilyn Angus. Das musste er jetzt tun, damit Davids Mutter die Nachricht von ihm erhielt, persönlich, von Angesicht zu Angesicht.
    Sein Telefon klingelte. Er beachtete es nicht. Auf dem Weg zum Auto klingelte auch das Handy. Er nahm es nicht aus der Tasche.

    Über eine Stunde später fuhr er aus Lafferton heraus und aufs Land. Er war bei Marilyn Angus gewesen, hatte erwartet, wieder ihren nackten Kummer und die qualvollen Tränen zu erleben, wie während der Tage und Wochen nach Davids Verschwinden und dem Selbstmord ihres Mannes. Stattdessen war sie beherrscht und ruhig geblieben, ihre Stimmung neutral, als würde sie, als Anwältin, Neuigkeiten von einem ihrer Mandanten erfahren. Sie war ordentlich gekleidet und geschminkt, am Ende hatte er sogar das Gefühl gehabt, sie würde eher ihn zu trösten versuchen als umgekehrt. Sie hatte sich bei ihm bedankt, hatte gesagt, wie leid es ihr täte, dass er ihr die Nachricht überbringen müsse, dass sie weniger verstört sei, als er vielleicht erwartet hatte, weil sie sich im Herzen damit abgefunden hätte, dass David schon vor langer Zeit gestorben sei. »Ich wusste, dass es etwas geben würde«, hatte sie gesagt, »eine Art von Bestätigung. Aber ich brauchte sie nicht. Die Justiz braucht sie. Das ist alles.«
    Es hatte sich keine Verbindung zwischen ihnen eingestellt. Marilyn Angus hatte eine unsichtbare, undurchdringliche Hülle um sich, eine Art Lackschicht. Simon glaubte, dass sie für den Rest ihres Lebens bestehen bleiben würde. Vielleicht erlaubte sie ihrer Tochter Lucy, hindurchzudringen. Vielleicht auch nicht.
    In gewisser Weise hatte sie ihm den Besuch leichter gemacht, viel leichter als in der Zeit kurz nach Davids Verschwinden, als sie keine Anstalten gemacht hatte, die wütenden, tobenden Ausbrüche ihres Kummers zu verbergen. Er fragte sich, was sie jetzt tun würde, ob sie in Lafferton bliebe, im selben Haus, in derselben Kanzlei, oder ob sie alles ändern, ins Ausland gehen, ein anderer Mensch werden würde.
    Eine Zeile von Shakespeare kam ihm in den Sinn. Oh, rufe Gestern wieder, lass die Zeit umkehren.
    Die Leute machen sich ein falsches Bild von Polizisten, dachte er, stellen sich vor, dass sie ihren Beruf nicht an sich herankommen lassen, sich von dem, was sie sehen und hören und tun müssen, nicht zu tief berühren und es sich nicht unter die Haut gehen lassen dürfen. Meist mochte das zutreffen, aber nur, wenn die Arbeit Routine war. Doch dann passiert so eine Sache wie mit David Angus, und wie erfahren, wie professionell man auch sein mag, alles geht dadurch zu Bruch, und die Sprünge werden nur schlecht gekittet. Er wusste, wie heftig sein Team das alles empfunden hatte, und dass die Freude über die Verhaftung immer noch von Schmerz getrübt war. Wenn alles vorbei war, in einem Jahr vielleicht, würde der Schmerz nach wie vor in ihre Psyche eingebettet sein, nie der Triumph über den dingfest gemachten Mörder.
    Er hielt vor dem Bauernhaus seiner Schwester. Cat arbeitete noch nicht wieder ganztags, und er hatte gehofft, sie anzutreffen, sie vielleicht zum Lunch in ein Pub einzuladen. Doch in der Einfahrt standen keine Autos, die Fenster waren zu, die Türen verschlossen. Er ging über den Rasen zum Koppelzaun. Das graue Pony schaute kurz vom Grasen auf, kam aber nicht näher. Hühner pickten im Gras unter den Hufen. Es war sehr ruhig. Eine trostlose, deprimierte Stimmung bedrohte ihn wie eine Wolke, die am Rand eines strahlenden Himmels dräut. Er hatte Urlaub. Im Revier lief alles bestens ohne ihn. Genau wie in seiner Familie. Er hatte sich Diana gegenüber dumm verhalten. Die Aussicht, sie bei der

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