Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Vernissage wiederzusehen, war bedrückend.
Simon verstand, was Menschen dazu brachte, zu verschwinden, ein Flugzeug oder eine Fähre zu nehmen und einfach abzuhauen, ohne eine Spur zu hinterlassen. Er konnte das jetzt tun. Afrika. Er hatte schon immer nach Afrika fahren wollen.
Er schüttelte den Kopf. Seine Verantwortung war ihm deutlich bewusst, und sein Gewissen war besser entwickelt, als seine Schwester glauben mochte.
Er verließ das Pony und die rotbraunen, pickenden Hennen und schlug die Straße nach Hallam House zu seinen Eltern ein. Wenn jemand einen guten Pub-Lunch und seine Gesellschaft begrüßen würde, dann war das wohl seine Mutter.
Eine halbe Stunde später war er wieder auf der Autobahn nach London. Auch in Hallam House war niemand zu Hause gewesen. Simon suchte im Radio nach Musik oder Unterhaltung oder zumindest ein paar guten Nachrichten.
Einunddreißig
U m halb acht packte Lynsey Williams ihre Sachen in eine Sporttasche, deckte den Lachssalat mit Frischhaltefolie ab, schrieb »Matt, Essen im Kühlschrank, xxxx« auf einen Zettel und verließ das Haus. Matt war auf dem Sportplatz mit den Jungs, die er nach Schulschluss trainierte.
Während sie die St. Luke’s Road hinabging, dachte sie darüber nach, warum manche Paare es schwierig zu finden schienen, zusammenzuleben und sich gebunden zu fühlen, aber trotzdem ein eigenes Leben zu haben. Matt und sie sahen kein Problem darin. Was auch immer die Leute sagten, Schulferien waren ziemlich lang, und sie teilte ihre freie Zeit entsprechend ein, so dass sie beide mindestens dreimal im Jahr Skifahren, Tauchen und Klettern gehen konnten und ihnen eine Woche blieb, in der sie nur faul an einem heißen Strand lagen. Außerhalb der Ferien unterrichtete er von früh bis spät und arbeitete zusätzlich als Trainer, reiste zu Spielen und Trainings im ganzen Land. Lynsey packte ihre gesamte Arbeit in diese Zeit. Sie war dankbar dafür, dass ihr das möglich war. Vor fünf Jahren hatte sie ihr erstes halbverfallenes Anwesen gekauft und es renoviert, mit ein wenig Hilfe von Matt und ihrem Bruder. Jetzt war sie bei ihrem zwölften Haus, hatte einige rasch verkauft, andere vermietet. Sie hatte den richtigen Zeitpunkt erwischt, der Markt boomte. Es lief gut.
Das einzige Problem war die Frage, ob sie sich vergrößern sollte. Um ihre Umsätze zu verdoppeln, müsste sie Personal einstellen. Seit Monaten jonglierte sie mit Zahlen herum, aber es war nicht das Geld, das ihr Sorgen machte, eher der große Schritt, den es bedeuten würde, nicht mehr klein zu sein und alles selbst zu machen. Es gefiel ihr, die Arbeit zu leisten und die Entscheidungen selbst zu fällen. Vergrößerung? Was dachte sie sich bloß? Aber sie wusste, dass sie weiter darüber grübeln würde, während sie im Becken des Sportzentrums ihre Bahnen zog, vierzig insgesamt, und es sinnlos war, mit Matt darüber zu reden. »Weiß nicht«, war seine übliche Antwort.
Sie bog um die Ecke. Jemand rief ihren Namen. Sie sah sich um. Der Mann winkte und rief erneut, rannte auf sie zu. Lynsey zögerte. Sie erkannte ihn nicht, und er war immer noch ein Stück entfernt, aber als sie ihn ihren Namen noch einmal so dringlich rufen hörte, wartete sie. Vielleicht hatte er sich eines ihrer Häuser angeschaut, vielleicht war er einer der Mieter, obwohl alle Vermietungen durch eine Agentur abgewickelt wurden.
»Lynsey …« War es das, was er gerufen hatte?
Er war jetzt näher bei ihr, und sein Gesichtsausdruck war seltsam, als sei er erstaunt, sie zu sehen, und aufgeregt und irgendwie … das einzige Wort, das ihr einfiel, war … wild.
»Lizzie …«
Er blieb abrupt stehen, ein oder zwei Meter von ihr entfernt.
»Hallo«, sagte Lynsey. »Entschuldigung, meinen Sie mich?«
Er starrte sie an, sein Gesicht verzerrt von etwas wie Wut, wie Verwirrung – wieder konnte sie es nicht benennen. Aber nun wurde sie nervös und begann, während sie sprach, umzudrehen und rasch auf die Hauptstraße zuzugehen, zu vorbeifahrenden Autos und offenen Läden und anderen Menschen.
»Nein … geh nicht, nein. Bleib stehen. Bitte. Bleib stehen. BLEIB STEHEN.«
Sie blieb stehen. Er kam langsam näher.
»Wer bist du?«, fragte er.
»Lynsey …«, brachte sie heraus.
»Nein. Nein, du bist Lizzie. Dreh dich um. Lass mich dein Haar sehen.«
Sie erstarrte.
»Du bist Lizzie. Du musst es sein.«
»Ich bin Lynsey. Tut mir leid, ich muss los, jemand … jemand wartet dort drüben auf mich.«
Er bewegte sich nicht,
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