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Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hill
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starrte sie an, ließ den Blick verzweifelt über ihr Gesicht schweifen. »Dreh dich um.« Ihr Haar war lang, mit einem Haargummi zusammengehalten. »Bitte mach dein Haar auf … Ich möchte dein Haar sehen. Ich muss, bitte …«
    Er kam nicht näher, aber seine Stimme war so drängend, sein Ausdruck nach wie vor so merkwürdig, dass sie ihre Sporttasche abstellte und gehorchte, das Gummi herunterzog und ihren Kopf schüttelte, bis ihr Haar locker herabfiel.
    »Lizzie?«
    »Nein. Wie ich sagte. Ich bin Lynsey … Lynsey Williams. Hören Sie, Sie haben mich sicherlich mit jemandem verwechselt … Bitte lassen Sie mich gehen, ich bin spät dran und muss mich mit jemandem treffen, wie ich sagte.«
    »Dein Haar hat die falsche Farbe. Das ist nicht Lizzies Haar.«
    »Nein«, sagte Lynsey. »Tut mir leid. Nein.«
    Vor dem Haus neben ihnen war eine niedrige Mauer, und der Mann griff plötzlich danach, als wäre ihm schwindelig, und ließ sich dann schwer darauf fallen. Lynsey stand immer noch da, beobachtete, wollte sein Zeichen, das sie gehen konnte, rennen, schnell um die Ecke und aus seiner Sichtweite.
    Dann sah sie, dass er weinte, offen, tonlos, die Hand ans Gesicht hob, um sich die Augen zu wischen, die sich gleich wieder füllten und überliefen. Sie war peinlich berührt und betreten, wusste nicht, was sie sagen sollte, wollte so schnell wie möglich weg. Und da er keine Notiz mehr von ihr nahm, nur sitzen blieb, in sich und seinen Kummer versunken, drehte sie sich schließlich um und ging weg, wenn auch langsam. Als sie die Ecke erreicht hatte, blickte sie zurück, verstört von dem, was sie sah, wünschte sich, sie könnte ihm helfen – nur wusste sie nicht, was passiert war oder was er brauchte und warum.
    Erst als sie ein Dutzend Längen geschwommen war, wurde sie ruhiger, sah jedoch immer noch den Mann vor sich und konnte das Bild nicht vertreiben.
    Sie schlug einen anderen, längeren Heimweg ein und ging mit schnellen Schritten, schaute sich immer wieder um und lauschte, falls jemand ihren Namen rief.
    Was niemand tat.

    Matt war in der Küche, der Lachssalat aufgegessen und Geschirr und Besteck abgewaschen und weggeräumt. Matt war traumhaft im Zusammenleben, reinlich und ordentlich bei allem, sauber, organisiert, pünktlich. Er saß am Küchentisch und versuchte, ein schwieriges Kreuzworträtsel zu lösen.
    »Hi, Babe. Schön geschwommen?«
    Lynsey ließ ihre Tasche fallen.
    »Lyns?«
    »Mir ist was Merkwürdiges passiert.«
    Er blickte über die Schulter. »Was denn? Alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich glaub schon. Ja. Ja. Es war nur … ein bisschen merkwürdig, mehr nicht.«
    Sie nahm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank, ging damit zum Tisch, zur Spüle, zurück zum Kühlschrank. Der Mann war immer noch in ihrem Kopf, saß weinend auf der Mauer an der Straße.
    Matt hörte aufmerksam zu. »Und er hat nichts gemacht, hat dich nicht angefasst?«
    »Nein. Ich glaube … als ich nicht diejenige war, die er erwartete – diese Lizzie, nicht Lynsey –, brach er einfach zusammen, weißt du? Er schien mich nicht mehr wahrzunehmen.«
    »Na ja, Leute irren sich, man sieht jemanden von hinten, derjenige dreht sich um, ist ein ganz anderer … Aber man bittet sie nicht, das Band aus dem Haar zu nehmen. Das ist verrückt. Das ist der Teil, der mir nicht gefällt.«
    »Nein.«
    »Was willst du machen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Zur Polizei gehen? Jetzt? Morgen?«
    »Wozu sollte ich zur Polizei gehen? Red doch keinen Quatsch.«
    »Er hätte alles Mögliche im Sinn haben können. Du warst allein in einer ruhigen Straße, er hat dir hinterhergerufen … hätte ein Vergewaltiger sein können.«
    »War er nicht. Ich weiß nicht, worum es ging, aber er wollte mich nicht angreifen … so war es nicht.«
    »Das kannst du nicht wissen. Wir hatten hier vor nicht allzu langer Zeit einen Serienmörder, vergiss das nicht.«
    »Wie könnte ich. Keiner kann das. Nur, wie gesagt, das war … anders. Ich wünschte jetzt, ich hätte es dir nicht erzählt.«
    »Okay.« Matt wandte sich wieder seinem Kreuzworträtsel zu.
    So war er eben. Es war sinnlos, sich mit ihm zu streiten, weil er nie darauf einging, einfach das Thema fallenließ, es vergaß, mit etwas anderem weitermachte. Manchmal machte sie das verrückt, aber es garantierte ein ruhiges Leben.
    Sie ging nach oben und ließ sich ein Bad ein. Der Mann war immer noch da, in ihrem Kopf, saß immer noch weinend auf der Mauer. Sie hörte seine Stimme, die sie über

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