Der Seele schwarzer Grund: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
dem Geräusch des aus dem Hahn strömenden Wassers rief, ihren Namen rief, der nicht ihr Name war.
Sie war nicht verängstigt. Aber es beunruhigte sie.
Zweiunddreißig
F rüher hatten sie in kleinen Frühstückspensionen übernachtet, aber diesmal hatte Dougie ein Hotel für sie gebucht, Sandybank, mit Blick auf die Bucht. Im Foyer hing eine Werbung für Wochenendtrips in der Vorweihnachtszeit, die im Oktober beginnen sollten … Dougie deutete mit einem Kopfnicken darauf. »Das würde dir gefallen, oder?«
»Du machst wohl Witze, Dougie Meelup! Weihnachten ist ja sehr nett, und ich freue mich auch jedes Jahr darauf, aber es findet erst in der letzten Dezemberwoche statt. Manche Leute können auch noch was anderes mit ihrem Leben anfangen.«
Er lachte. Dougie lachte viel. Das war eines der Dinge, die ihr schon gleich zu Anfang an ihm gefallen hatten, sein Lachen und wie es sein Gesicht geformt hatte, so dass er manchmal selbst im Schlaf zu lächeln schien.
Ihr Zimmer ging nach vorne zum Meer hinaus, doch inzwischen war die Sonne verschwunden, und das Meer schäumte aufgewühlt unter einem bedrohlichen Himmel.
»Was würdest du gerne machen? Hier etwas an der Bar trinken oder noch ein bisschen herumbummeln und ein hübsches Lokal für dein Glas Wein finden?«
»Ich finde, hier sieht es sehr nett aus.«
Das Hotel war hell und sauber und nicht zu groß, man hatte sie begrüßt, als seien sie willkommen, nicht nur irgendwelche Gäste, und sie wäre glücklich, hier zu sitzen und auf die Bucht und das Leben auf der Uferpromenade zu schauen. Glücklich.
Sie war glücklich.
In der Bar saßen nur eine Handvoll Leute, in einem kleinen Nebenraum lief ein Fernseher.
»Das gefällt mir«, sagte Eileen und griff nach ihrem Weinglas. »Ich mag es nicht, wenn einen überall Fernseher anplärren, ob man es will oder nicht.« Sie blickte hinter sich durchs Fenster. Die meisten Menschen hatten den Strand und die Bänke auf der Promenade verlassen, nachdem die Sonne gesunken war. Es war ruhig. Die Ebbe hatte eingesetzt.
»Ich könnte hier leben«, sagte sie.
Dougie hob sein Bierglas, um ihr zuzuprosten. Doch dann ließ er es wieder sinken. »Meinst du das ernst?«
»Hier leben? Ja. Am Meer. Würde mir gut gefallen.«
»Tja, es gibt nichts, was uns davon abhält. In achtzehn Monaten bin ich ein freier Mann, und ich könnte hier immer noch eine Nebenbeschäftigung finden. Einen Teilzeitjob. Genau wie du, wenn man es recht bedenkt.«
Sie trank einen Schluck Wein und versuchte es sich vorzustellen.
»Ach, ich weiß nicht. Das wäre ein ziemlicher Umbruch.«
»Warum denn kein Umbruch? Hält einen jung.«
Aber sie wusste, sie würde die Idee langsam im Kopf herumwälzen, sie wie einen Penny in ihrer Tasche immer wieder umdrehen, von allen Seiten betrachten, die Probleme und Nachteile erwägen müssen. Jetzt war ihr das alles zu viel auf einmal. Es würde Wochen dauern. Erfreuliche Wochen, allerdings. Wie auch immer sie sich entschied, das Nachdenken darüber würde erfreulich sein.
»Ich geh nur mal eben rüber und schau mir die Nachrichten an«, sagte sie. Es war zu aufregend, das war es; sie erkannte, dass sie im selben Moment, als Dougie es vorschlug, sofort hatte zustimmen, ja, ja sagen und einziehen wollen, in ein Haus wie dieses, mit Blick aufs Meer, und das war ein Traum, und mit Träumen musste man vorsichtig sein. Sehr vorsichtig. Ihr waren zu viele Träume zerplatzt, was sie wachsam gemacht hatte.
Sie musste sich beruhigen und mit etwas anderem beschäftigen. Für den Moment. Nur für den Moment.
Der kleine Fernsehraum ging auf einen Garten mit blauen Hortensienbüschen und einem Vogelhäuschen an einer Eberesche hinaus. So eine Art Garten könnten sie auch haben, mit Büschen und Bäumen und nicht zu viel Unkrautzupfen. Wenn sie nur von dort aus das Meer sehen konnten.
Dougie blieb in der Bar. Er entfaltete die Abendzeitung und bestellte ein zweites Glas Bier. Zärtlich schaute sie durch die offene Tür zu ihm hinüber. Er sah wie alle anderen aus, war weder sehr groß noch zu klein, weder dick noch dünn, würde bei seinem jugendlichen Haarschopf auch nicht so bald kahl werden. Niemand würde sich zweimal nach ihm umdrehen oder ihn im Gedächtnis behalten, niemand würde ihn anstarren, niemand würde sie beneiden oder bedauern, wenn man sie zusammen sah. Niemand konnte seine Güte, seine Freundlichkeit ermessen und die Art, in der er ihr ein neues Leben gegeben hatte.
Die Nachrichten wurden durch die
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