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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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Tischlerin im Schauspielhaus gewesen war. Wieso sie nun ausgerechnet in einem Baumarkt gearbeitet hatte, konnte die Frau aber nicht sagen.
    Spunte hatte mit seinem Team die Wohnung durchkämmt, aber auch das war bisher ohne nennenswertes Ergebnis geblieben. Es gab keinen Hinweis auf einen Liebhaber. Weder einen Christen noch einen Moslem. Keine Freundinnen, keine Hobbys. Wenn die Frau ein Doppelleben geführt hatte, dann hatte sie es so gut verborgen, dass nicht einmal in ihrer eigenen Wohnung eine Spur davon zu finden war.
    Die Kollegen in Hamburg hatten die Mutter informiert, woraufhin ein äußerst befremdlicher Anruf im Düsseldorfer Präsidium eingegangen war: Eine Frau, die sich nicht mit Namen vorstellte, verlangte mit aufgebrachter Stimme, mit der Identifizierung der Leiche noch zu warten, da sie am folgenden Tag Termine habe und nicht vor Samstag in Düsseldorf eintreffen werde. Sebastian Mörike war der Unglückliche, der den Anruf entgegennahm. Er begriff zunächst nicht, was die Frau am Telefon wollte, bis ihm schließlich klar wurde, dass er mit Kristina Kellers Mutter sprach. Der junge Praktikant erklärte der Frau stotternd, dass man sie für die Identifizierung der Toten nicht brauche, woraufhin er mit eingezogenem Kopf einen Redeschwall über sich ergehen lassen musste. Als er den anderen von dem Anruf erzählte, geriet Reinhold Meier in Rage.
    »Die kann nicht kommen, weil sie Termine hat?«, brüllte er fassungslos. »Mensch, ihre Tochter wurde gerade ermordet. Die tickt doch wohl nicht richtig.«
    Schmiedel versuchte, ihn zu beruhigen. »Du weißt doch, wie irrational manche Menschen auf solche Ereignisse reagieren. Sie ist vermutlich total überfordert mit der Situation.«
    Meier hatte noch eine Weile weitergeschimpft, sich dann aber wieder mit der Zeugenliste befasst.
    Den Rest des Nachmittags hatten sie mit dem Zusammenstellen der Fakten verbracht. Viel war nicht dabei herausgekommen. Sie hatten gehofft, mit der Identität der Frau auch auf mögliche Verdächtige zu stoßen, aber niemand schien Kristina Keller näher gekannt zu haben.
    Lydia lief ein Schauder über den Rücken. Diese Frau hatte kaum Spuren im Leben anderer Menschen hinterlassen. Niemand schien sie sonderlich zu vermissen, niemand sie zu betrauern. Nicht einmal ihre eigene Mutter. Wenn sie erst beerdigt war und ihre Wohnung neu vermietet, würde es beinahe so sein, als hätte sie nie existiert.
    Lydia loggte sich aus und fuhr den Rechner herunter. Sie löschte die Lichter im Büro und trat auf den Flur. Alles war still, nur unten im Foyer hallten Schritte über den Steinboden, kurz darauf war entfernt das Klacken der Tür zur Kriminalwache zu hören. Die meisten Kollegen waren längst gegangen, die Chancen, dass Halverstett noch im Haus war, standen schlecht. Sie klopfte an seine Bürotür, doch niemand antwortete. Eine andere Tür öffnete sich, Mörike kam heraus, ein Blatt in der Hand.
    »Auch noch da?«, fragte er überrascht und faltete das Papier zusammen.
    Sie nickte. »Eigentlich wollte ich noch mit Halverstett reden. Aber der ist wohl schon weg.«
    »Der ist vor über einer Stunde gegangen«, sagte Mörike.
    »Dachte ich mir schon.« Lydia zuckte mit den Schultern.
    »Wenn’s wichtig ist«, fügte Mörike hinzu. »Ich habe mitgekriegt, wie er vorhin jemanden nach einem Restaurant hier in der Nähe gefragt hat, in dem man gut italienisch essen kann. Der Kollege hat ihm das ›Zero Gradi‹ auf der Martinstraße empfohlen.«
    »Vielleicht versuch ich’s da mal.« Lydia sah ihn an. »Du solltest auch heimfahren und ein bisschen schlafen, Mörike. Morgen haben wir wieder einen anstrengenden Tag vor uns.«
    »Sebastian«, antwortete Mörike. »Ich möchte Sebastian genannt werden. Ich hasse es, wenn man Mörike zu mir sagt.« Er sah ihr direkt in die Augen, für einen Moment war alles Kindliche aus seinen Zügen verschwunden.
    Lydia musterte ihn erstaunt. Mit einem Mal musste sie an ihre erste Zeit bei der Kripo denken. Die dummen Sprüche und anzüglichen Bemerkungen der erfahrenen männlichen Kollegen hatten ihr oft die Tränen der Wut und Verzweiflung in die Augen getrieben. Nur wenige hatten sie mit Respekt behandelt. Köster hatte dazugehört. Und Halverstett. Ein paar Monate lang war sie ihm zugeteilt gewesen, und er hatte sie ohne jeglichen Vorbehalt in die Ermittlungen einbezogen. Sie zuckte mit den Schultern. »Wie gesagt, du solltest nach Hause fahren. Es ist schon spät.«
    Sie wollte sich abwenden, doch er

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