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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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fixierte sie hartnäckig. Irritiert blieb sie stehen. »Ist noch was?«
    »Ich weiß, ich bin nur der Praktikant, und ich habe nicht so viel Erfahrung wie ihr«, antwortete er. »Für euch bin ich der Anfänger. Das Baby. Es macht mir nichts aus. Solange ich trotzdem ernst genommen werde.«
    »Okay«, sagte sie gedehnt. Sie hatte keine Lust, sich sein Gejammer anzuhören. Hatte der Junge denn keine Freundin, bei der er sich ausheulen konnte?
    »Dieser Marktleiter«, fuhr Mörike fort. Entweder hatte er nicht bemerkt, dass er sie nervte, oder es war ihm egal. »Ich habe darüber nachgedacht. Er hat selbst bei der Keller angerufen. Ich meine, er hat einen Haufen Angestellte und vermutlich jede Menge Stress, aber er ruft persönlich an, wenn eine seiner Mitarbeiterinnen nicht zur Arbeit erscheint. Und das gleich zweimal. Ich finde das seltsam.«
    Lydia sah ihn nachdenklich an. »Das ist vielleicht ungewöhnlich. Aber nicht seltsam. Die meisten Arbeitgeber hätten das wohl jemanden aus dem Personalbüro überlassen, das stimmt. Was glaubst du, warum er selbst angerufen hat?«
    »Er könnte der Mörder sein, es wäre eine gute Tarnung. Er spielt den besorgten Arbeitgeber, in Wirklichkeit hatte er eine Affäre mit ihr und hat sie getötet, als sie gedroht hat, es seiner Frau zu sagen. So was in der Art.«
    »Und er hat sie gesteinigt, um vom wahren Motiv abzulenken? Ich weiß nicht, das klingt ziemlich abwegig. Außerdem haben wir bei Kristina Keller nichts gefunden, was auf einen Liebhaber hinweist.«
    Mörike zuckte mit den Achseln. »War nur so eine Idee.«
    »Wir werden das morgen überprüfen. Man weiß ja nie.« Sie wandte sich zum Gehen. Nach ein paar Schritten drehte sie sich noch einmal um. »Ach, übrigens: Ich halte dich nicht für ein Baby, Mörike.«
    Das »Zero Gradi« lag nur fünf Autominuten vom Präsidium entfernt in einer schmalen Straße. Lydia wohnte gleich um die Ecke, deshalb hatte sie beschlossen, noch kurz dort vorbeizufahren und mit Halverstett zu sprechen. Sie hielt in zweiter Reihe und spähte durch das Fenster des winzigen Restaurants. Es war nicht schwierig, den Kollegen auszumachen. Halverstett saß am hinteren Tisch und unterhielt sich angeregt mit einer Frau.
    Lydia erstarrte. Entgeistert blinzelte sie durch die Scheibe. Sie konnte es nicht fassen. Die Frau, mit der Halverstett so gelöst plauderte, war Maren Lahnstein, die Rechtsmedizinerin. Und das Gespräch, das die beiden führten, war eindeutig nicht beruflicher Natur. Die Ärztin hielt Halverstetts Hand, er lächelte sie an. Angewidert wandte Lydia sich ab. Halverstett war mindestens fünfzehn Jahre älter als die Medizinerin. Außerdem wusste Lydia, dass er verheiratet war. Er hatte ihr einmal erzählt, dass seine Frau bescheidenen Erfolg als Malerin hatte. Fassungslos marschierte sie zu ihrem Toyota zurück und warf sich auf den Fahrersitz. Sie startete den Motor, gab Gas und raste in Richtung Südring davon.
    Ziellos kurvte sie durch die Straßen. Ihr Kopf hämmerte, von ihrem Magen her breitete sich ein unangenehmes Ziehen in ihrem Unterleib aus. Sie hatte Halverstett für integer gehalten. So wie Köster. Sie hatte sich getäuscht.
    Immer wieder sah sie dieses Lächeln vor sich, mit dem er Maren Lahnstein bedacht hatte, und jedes Mal kam es ihr noch eine Spur dämlicher vor. Wütend schlug sie mit der Faust auf das Lenkrad. Warum machte sich jeder Mann zum Affen, sobald er es mit einer attraktiven Frau zu tun hatte? War das eine irreparable genetische Störung? Mörikes Verdacht gegen Kristina Kellers Arbeitgeber fiel ihr ein, und sie dachte bitter, dass der junge Kollege vermutlich richtiglag. Männer waren doch alle gleich. Und Frauen auch. Was wollte eine wie die Lahnstein von einem Langweiler wie Halverstett?
    Lydia steuerte den Wagen am Hauptbahnhof vorbei Richtung Osten. Je länger sie in der Gegend umherfuhr, desto heftiger wurde das Ziehen in ihrem Bauch. Sie kannte das Gefühl, diese eigenwillige Mischung aus Wut, Lust und Gier, die sie von innen heraus zu verschlingen schien. Lange würde sie den Drang nicht mehr unterdrücken können. Wozu auch? Alle Welt schien mit nichts anderem beschäftigt zu sein.
    Schließlich hielt sie vor einer ziemlich heruntergekommenen Kneipe in Flingern. Sie stieß die Tür auf und erkannte innerhalb weniger Sekunden, dass sie die einzige Frau im Schankraum war, bis auf eine sturzbesoffene Alte mit fettigen grauen Haaren, die in den gelblich verfärbten Fingern eine Zigarette hielt und mit

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