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Der Seele weißes Blut

Der Seele weißes Blut

Titel: Der Seele weißes Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Klewe
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schreit auf. »Du kleines Ferkel! Warst du nicht vor dem Baden auf dem Klo?«
    Sie wäscht ihn noch einmal. Es tut ein bisschen weh, aber er beißt die Zähne zusammen.

13

    Freitag, 11. September
    Kriminalhauptkommissar Klaus Halverstett schlug den Bericht zu. Ihm brummte der Schädel. Weichgewebe, Markhöhleninhalt und Ninhydrin-Reaktion. Er hatte nur die Hälfte verstanden, aber die Quintessenz der Untersuchungsergebnisse hatte Maren ihm gestern Abend schon erläutert. Und die war nicht sehr ermutigend. Es gab zu viele Leerstellen, zu viele Möglichkeiten. Solange sie nicht mehr Informationen hatten, war die Suche nach der Identität der Gebeine nicht die nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen, sondern die nach einem Stecknadelkopf auf einem kompletten Bauernhof. Sie wussten ja noch nicht einmal mit Sicherheit, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Wo sollten sie da anfangen?
    Halverstett lehnte sich zurück und dachte an Maren. Der Abend mit ihr war wie ein Märchen gewesen. Mit ihr Zeit zu verbringen war wie mit sich selbst Zeit zu verbringen, nur anregender und interessanter. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie sich über alles unterhalten konnten, ihre Arbeit, ihr Privatleben, ihre Träume und ihre Ängste, war wie ein kostbarer Schatz, den er nicht mehr gehofft hatte zu finden. Natürlich stand die große offene Frage zwischen ihnen, was für eine Art Beziehung sie eigentlich führten. Waren sie Kollegen, die sich gut verstanden? Freunde? Liebende, die sich noch nicht einzugestehen wagten, was sie füreinander empfanden? Er wusste es nicht, und er war sich sicher, dass es Maren ähnlich ging. Nun, sie waren alt genug, sich Zeit zu nehmen, Zeit, um herauszufinden, was sie einander bedeuteten.
    Es klopfte, und im gleichen Moment schob Lydia Louis ihren blonden Kurzhaarschopf zur Tür herein.
    »Morgen, Halverstett, kann ich kurz stören?«
    »Sicherlich. Auch einen Kaffee?« Er wollte aufstehen, doch sie winkte ab, ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    »Ich hab’s ein bisschen im Magen. Lieber nicht.«
    Halverstett musterte seine Kollegin. Sie sah krank aus. Ihr Gesicht war blass, dunkle Ringe ließen das Blau ihrer Augen unangenehm durchdringend leuchten.
    »Geht es dir nicht gut, Louis?«
    »Doch, doch. Nur zu viel Stress. Du kennst das ja.« Sie sah ihn nicht direkt an, als sie antwortete. Er spürte, dass sie log, aber er wusste, dass es sinnlos war, weiter in sie zu dringen. Sie war nicht die Art Frau, die einem ihr Herz ausschüttete. Wenn sie sich überhaupt jemandem anvertraute, dann Köster. Er beobachtete, wie sie sich mehrfach mit den Fingern durch die Haare fuhr, bevor sie zu sprechen begann.
    »Du bearbeitest doch den Knochenfund im Aaper Wald, richtig?«, fragte sie schließlich.
    »Stimmt. Maren Lahnstein hat mir erzählt, dass dich die Sache interessiert.«
    Lydia zuckte zusammen, als er Marens Namen erwähnte, und ihm wurde heiß. Gab es womöglich bereits Gerüchte über sie? Hatte jemand sie zusammen gesehen? Der Gedanke, im Präsidium könnte hinter seinem Rücken über ihn gelästert werden, brachte ihn ins Schwitzen. Rasch riss er sich zusammen. »Was willst du wissen?«
    Lydia schaute aus dem Fenster, während sie sprach. »Handelt es sich um einen Mann oder eine Frau?«
    Halverstett seufzte. »Ist nicht sicher. Das Skelett ist nicht vollständig. Becken und Schädel fehlen. Daran hätte man es am besten erkennen können. Die Gerichtsmedizinerin vermutet, dass es sich um einen Mann handelt, es könnte aber ebenso gut eine kräftig gebaute Frau sein. Ich lasse das Waldstück noch einmal etwas gründlicher durchkämmen, auch in einem größeren Radius. Vermutlich haben Tiere einige Teile verschleppt. Das bedeutet, dass wir die restlichen Knochen vielleicht nie finden.«
    Lydia nickte langsam. »Und wie lange haben die Gebeine dort gelegen?«
    »Das wissen wir auch nicht. Zwischen fünf und fünfunddreißig Jahren.«
    »Genauer geht’s nicht?« Lydias Kopf schoss herum. Zum ersten Mal, seit sie eingetreten war, sah sie Halverstett direkt in die Augen. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann senkte Lydia den Blick.
    »Offenbar ist es nicht so einfach, die Liegezeit zu bestimmen«, erklärte Halverstett. »Zumindest nicht auf die Schnelle. Maren – Maren Lahnstein will noch ein paar Untersuchungen machen. Doch das dauert.«
    »Sonst irgendwelche Hinweise?«
    Halverstett zog ein Tütchen unter einem Stapel Blätter hervor. »Darf ich fragen, warum dich das

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