Der Seele weißes Blut
blickte sich immer wieder nach allen Seiten um, als wolle er sichergehen, dass ihn niemand bemerkte. Außerdem brauchte er viel zu lange, um die Tür aufzuschließen. Plötzlich drehte er das Gesicht in Hackmanns Richtung, der triumphierend durch die Zähne pfiff. »Louis, du kleine Schlampe«, murmelte er grinsend, »das hätte ich dir gar nicht zugetraut.«
Zufrieden startete er den Motor. Das lief ja wie am Schnürchen. Er hatte gerade erst angefangen herumzustochern und war bereits auf Gold gestoßen. Mit einer Hand fischte er eine Zigarette aus der Packung auf dem Beifahrersitz, steckte sie in den Mund und zündete sie an. Nach dem ersten tiefen Zug wendete er den Wagen und fuhr davon.
17
Lydia atmete tief durch, als sie die Wagentür hinter sich zugeschlagen hatte. Sie schloss die Augen, bis sie spürte, dass Salomon sie beobachtete.
»Gibt’s was?«
Er sah sie schweigend an. Dann nickte er. »Ich würde dir gern etwas zeigen, Louis.«
»Was denn?«
»Dazu müsstest du zu mir kommen.«
»Zu dir nach Hause?« Sie merkte, dass ihre Frage hysterisch geklungen hatte, und ergänzte schnell: »Du wohnst doch in Köln, oder?«
»Köln Widdersdorf. Das liegt direkt an der Autobahn. Mit dem Wagen sind das gerade mal zwanzig Minuten von hier.«
»Und was willst du mir zeigen? Kannst du es nicht morgen früh mit ins Präsidium bringen?« Sie warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett. »Es ist gleich neun. Ich bin todmüde, morgen müssen wir um sechs antreten und kommen vermutlich nicht vor zehn Uhr abends raus, falls überhaupt. Ich würde gern ein bisschen Schlaf kriegen.«
»Es ist wirklich wichtig. Und ich möchte es nicht gern mit ins Präsidium bringen. Wenn du es siehst, wirst du verstehen.« Er sah ihr in die Augen. »Es ist rein beruflich Louis, keine Sorge.«
Sie musterte ihn, versuchte aus ihm schlau zu werden. Aber es gelang ihr nicht. Sie erwog, ihm eine Abfuhr zu erteilen. Wenn er etwas Berufliches mit ihr besprechen wollte, dann sollte er das gefälligst am Arbeitsplatz tun. Und was sollte diese Geheimniskrämerei? Warum sagte er nicht einfach, um was es ging? Vermutlich wollte er sich nur wichtigtun. Schließlich siegte ihre Neugier. »Also gut, Salomon. Ich werde zwar den Verdacht nicht los, dass du eine bequeme Mitfahrgelegenheit suchst, aber meinetwegen bringe ich dich nach Hause. Man muss ja sein Team bei Laune halten.«
Er grinste, doch seine Augen blieben ernst. Kurz darauf glitten sie über die Autobahn in Richtung Süden. Es war inzwischen dunkel. Lydia hatte die Mitglieder der Mordkommission informiert, dass sie sich morgen früh um zehn im Besprechungszimmer einfinden sollten. Die Obduktion war für acht angesetzt, vielleicht gab es bis dahin schon Ergebnisse. Noch vom Park aus hatte sie Meier und Schmiedel nach Erkrath geschickt, um DNA-Vergleichsmaterial von Ellen Dankert zu besorgen. Diesmal war das Gebiss der Toten so zerstört, dass eine Identifizierung per Zahnschema vermutlich nicht möglich war. Also blieb nur der DNA-Test. Danach hatte sie Köster die Buchstaben- und Zahlenfolge durchgegeben, die mit den Steinen gelegt worden war, mit der Bitte, im Internet nach etwaigen Bedeutungen zu suchen. Ruth Wiechert und der Praktikant hatten sich noch nicht zurückgemeldet, seit sie den Baumarktleiter aufgesucht hatten. Viel hatte Lydia sich nicht von dieser Befragung versprochen. Und angesichts des zweiten Mordes stellte sich alles ohnehin viel komplexer dar. Ein Verbrechen aus Leidenschaft oder zur Vertuschung einer Affäre erschien ihr inzwischen mehr als unwahrscheinlich.
Sie fuhren von der Autobahn, und Chris dirigierte sie in ein Wohngebiet. Die Gegend war sehr ländlich. Lydia blickte sich verwundert um, während sie durch die Siedlung mit Ein- und Zweifamilienhäusern fuhren. Sie hätte Salomon eher in einer durchgestylten Altbauwohnung im Stadtzentrum verortet, umgeben von Chrom und Glas, im Schlafzimmer ein riesiges Wasserbett, in dem er sich mit seinen ständig wechselnden Gespielinnen vergnügen konnte, nicht in diesem spießigen Vorstadt-Idyll.
»Du kannst hier in der Einfahrt parken.« Chris deutete nach links.
Lydia trat auf die Bremse. Am Straßenrand lag ein weiß verputztes Häuschen, an dessen Fassade Kletterrosen rankten. Als sie einbogen sprang ein Licht an, und einige letzte vertrocknete rote Blüten leuchteten auf. Lydia parkte vor dem Carport, in dem eine schwarze Harley Davidson abgestellt war. Sie stiegen aus. Als sie sich der Haustür näherten,
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