Der Seelenbrecher
er ein Geständnis bekam: »Ja, tut mir leid, ich wollte nicht, dass irgendjemand die Klinik verlässt«?
»Muss Schadeck gewesen sein. Der ist mir eh nicht geheuer.«
»Ja«, sagte Caspar nur und klemmte sich noch drei medizinische Fachbücher unter den Arm.
»Ist ja auch egal, jetzt.«
Sie gingen gemeinsam in den Nebenraum.
Das Untersuchungszimmer wurde von dem futuristischen Kernspintomographen beherrscht, der in einem Science-Fiction-Film gut und gerne als Zutrittsschleuse zu einer anderen Welt durchgegangen wäre.
Caspar stellte sich neben das Gerät und sah nach oben. »Ist das blinkende Ding das, wofür ich es halte?« »Ja.«
»Dann sollten wir es genau hier machen.«
Caspar zog zwei Handtücher von der Liegefläche des Kernspins. Er knüllte sie zusammen und warf sie unter dem Rauchmelder zu Boden. Dann riss er aus einem der Bücher mehrere Seiten heraus, bevor er die anderen wie Kaminholz aufeinanderstapelte.
»Einfach drüberkippen«, sagte er zu Bachmann, der den Reinigungskanister aufschraubte und dabei so aussah, als könne er nicht glauben, was er hier tat.
»Ihnen ist schon klar, dass das Ding mehrere Millionen gekostet hat?«
Caspar grinste schwach.
»So leid es mir tut, aber Ärger vom Chef haben wir ja kaum noch zu erwarten, oder?« Er nickte ihm zu. »Also legen Sie los, bevor uns das gleiche Schicksal ereilt.« Der Alkoholreiniger schwappte mit einem beinahe obszön anmutenden Gluckern auf die provisorische Lagerfeuerstätte. Dann zog Bachmann eine Packung Streichhölzer aus seiner Brusttasche und wollte gerade mit dem ersten Hölzchen über die Reibefläche fahren, als die Verbindungstür hinter ihnen mit einem sanften Klicken ins Schloss fiel.
»Was zum Teufel …?«
Caspar drehte sich herum, gerade noch rechtzeitig, um den dunklen Schatten zu sehen, der über die Glasscheibe zwischen den beiden Räumen huschte. Dann begann der Kernspintomograph zu blinken, und gleichzeitig hämmerte ein Geräusch aus dem Bauch der Röhre hervor, als würde jemand mit einer Axt gegen ein leeres Metallfass schlagen. All das geschah in den Bruchteilen eines Herzschlags, exakt in dem Moment, in dem Bachmann vor Schreck das brennende Streichholz aus der Hand fiel.
02.39 Uhr
Gleich zwei Stichflammen auf einmal schlugen parallel zur Zimmerdecke. Doch nur eine davon war real, die andere entpuppte sich nach einer Schrecksekunde als Reflexion in der Trennscheibe. Zuerst hielt Caspar auch das Gesicht dahinter für eine optische Täuschung. Doch dann schlug der halbnackte Mann seine Faust gegen das Glas, und er erkannte das wutverzerrte Gesicht. Kein Zweifel. Jonathan Bruck trug noch immer den grünen Krankenhauskittel, nur war dieser vorne über und über mit rostfarbenen Flecken besprenkelt, und auch unter dem verrutschten Halsverband schien eine große Menge Blut durchgesickert zu sein.
Caspar begann zu schwitzen, drehte sich um und spürte die Hitzewelle von vorne.
»Wir müssen hier raus!«, erklärte er Bachmann das Offensichtliche. Auch der hatte den Seelenbrecher gesehen und wich mit dem Rücken zur Wand vor den immer rauchintensiveren Flammen in Richtung Ausgang zurück. »Das hat keinen Sinn«, schrie Caspar lauter als nötig in eine Pause des Kernspinlärms hinein. Zum Beweis rüttelte er am Knauf der Verbindungstür. Wie erwartet ohne Erfolg. Das automatische Schloss ließ sich aus Strahlenschutzgründen erst nach der Untersuchung öffnen, und Bruck hatte den Tomographen ja gerade erst aktiviert. Wenn er auf ein Virtopsieprogramm eingestellt war, würde es Stunden dauern!
»Lass uns raus«, brüllte Caspar und schlug nun ebenfalls gegen die große Scheibe, die mit bloßen Händen kaum in Schwingungen zu versetzen war. Doch Bruck dachte gar nicht daran. Als wollte er das ohnehin schon unermessliche Entsetzen seiner Gefangenen noch vergrößern, bückte er sich kurz und tauchte dann mit einer länglichen Papierschere wieder auf. Bruck bewegte seine Lippen, sprach mehrere unverständliche Worte, und dann … O mein Gott …
… rammte er sich die Klingen in seine linke Handfläche.
Was macht er nur?, fragte sich Caspar und bekam sofort die blutige Antwort. Bruck spuckte gegen die Scheibe und presste seinen aufgeschlitzten Handballen auf die glatte Oberfläche. Caspar meinte das helle Quietschen hören zu können, das das zerstochene Fleisch auf dem Glas hinterließ, während die Hand des Seelenbrechers langsam nach unten glitt und dabei eine Blutspur hinter sich herzog.
Er will uns etwas sagen! Es ist ein
Weitere Kostenlose Bücher