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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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fiebrige Müdigkeit lähmte mittlerweile auch seine Stimmbänder, so dass er nur noch unvollständige Sätze brabbelte.
»Du auch, du kannst …«
»Wie?«
»… das auch.«
»Was meinst du?«
»Mich hypnotisieren.«
Caspar ballte seine Faust und drückte sich absichtlich mit seinen Fingern einen Splitter tiefer in das Fleisch. Der stechende Schmerz lenkte ihn ab.
»Es kommt nur auf die Umstände an. Sieh nur. Ich bin dir ausgeliefert. Je mehr Gift du mir spritzt, desto leichter kannst du mich brechen.« Er hustete wieder, diesmal, weil er sich an seinem Speichel verschluckt hatte. »Aber doch nicht für mehrere Wochen?« Schadeck trat wütend gegen den Tisch. »Und schon gar nicht bis zum Tod, wie bei dem ersten Opfer. Langsam glaube ich, du bist doch kein Arzt. Sonst müsstest du wissen, dass jede fehlerhafte Hypnose irgendwann in einen natürlichen Schlaf übergeht. Die Opfer wären alle von alleine aufgewacht, aber auf gar keinen Fall gestorben.«
Doch. Ich bin Arzt , dessen war sich Caspar nun sicher. Die Erinnerungen schlugen immer schneller ein. Wenn sie in Raßfelds Büro gewesen wären, hätte er es ihm beweisen können. Dort stand das Handbuch der Psychiater, das komplette Verzeichnis aller Kollegen. Er sah seinen Eintrag vor sich: Dr. med. Niclas Haberland, Spezialist für Neuropsychiatrie und medizinische Tiefenhypnose.
    »Du hast recht«, versuchte er Tom zu beschwichtigen, bevor dieser noch mehr Thiopental in ihn reinpumpte. »Normalerweise ist die medizinische Hypnose ungefährlich. Das Schlimmste ist der Rapportverlust …«, Caspar wunderte sich, wie geläufig ihm die Fachbegriffe wieder waren, »… also wenn der Hypnotiseur seinen Patienten nicht ansprechen kann und dieser auf seine Befehle nicht mehr reagiert. Da hast du recht. Dann muss man einfach nur abwarten. Irgendwann wacht jeder auf. Aber hier sprechen wir von ungewollten Pannen. Fahrlässigen Schäden, Verletzungen bei Showhypnose, wenn die Frau aus dem Publikum wie ein Hund auf allen vieren über die Bühne kriechen soll und dabei in den Orchestergraben fällt. Doch es hat noch nie jemand untersucht, ob es möglich ist, jemanden absichtlich zu schädigen. Verstehst du denn nicht?« Caspar flüsterte jetzt nur noch und war sich nicht sicher, ob er das alles eben laut ausgesprochen hatte. Seine Wahrnehmungsfähigkeit war nahezu bei null. Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, paradoxerweise genau in der Situation, in der er gezwungen war, über Hypnosetechniken zu referieren.
»Wenn tatsächlich jemand eine Hypnosemethode entwickelt hat, mit der er absichtlich einen Menschen dauerhaft ins Wachkoma schicken kann, eine Methode, die am Ende sogar tödliche Nebenwirkungen hat, dann werden wir das nie aus Fachpublikationen erfahren. Denn das wäre ein verbotener Menschenversuch. Und ich fürchte, genau dieser findet gerade statt. Hier. In dieser Klinik. Und wir sind seine Teilnehmer!«
Caspar sah, dass irgendeines seiner letzten Worte seine Wirkung nicht völlig verfehlt hatte. Als Tom nachdenklich beide Hände hinter dem Kopf verschränkte und ihn unschlüssig anstarrte, legte er nach: »Binde mich los. Bitte. Ich glaube, ich weiß, wie ich Sophia aus ihrem Todesschlaf befreien und uns hier alle rausholen kann.« Schadeck presste zweifelnd seine Lippen aufeinander und fuhr sich durch die Haare. Er seufzte, und kurz danach spürte Caspar, wie der Druck etwas nachließ. Die Spritze steckte nicht mehr in seinem Arm, sondern lag jetzt wieder neben dem Obduktionsbesteck auf dem Beistelltisch.
»Eine falsche Bewegung, und ich mach dich alle.« Der Sanitäter war gerade dabei, das Fixierband um Caspars linke Hand zu lockern, als das Unmögliche geschah. Irgendwo in der Klinik läutete ein Telefon.
     

03.09 Uhr
    »Halt, nicht …«
Er brüllte Schadeck hinterher, der, ohne sich noch einmal umzudrehen, bereits auf den Flur hinausgerannt war. Das ist eine Falle , wollte er ihn warnen, doch seine Stimme versagte.
Caspar stützte sich auf seinen befreiten linken Arm, drehte sich zur Seite und begann mit zittrigen Fingern die anderen Fesseln zu lösen. Die Farben um ihn herum hatten sich verändert, ebenso die Geräusche. Noch immer klopfte der Kernspin mit der Dynamik einer psychedelischen Technoschallplatte im Nebenraum. Die pflockartigen Hammerschläge wurden schneller und übertönten das externe Telefonklingeln, das es eigentlich gar nicht geben durfte. Einmal wegen der zerstörten Leitung. Und vor allen Dingen, weil es viel zu schrill und laut

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