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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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nackten Oberkörper durch und schrie, so laut er noch konnte.
»Das bringt doch nichts«, sagte der Kopf über seinem Ge sicht. »Das Einzige, was dich jetzt noch retten kann, ist die Wahrheit.«
»Aber ich weiß doch nichts.«
»Weißt du, weshalb ich dir das nicht glaube?« Caspar schüttelte heftig den Kopf und schluckte die Magensäure wieder hinunter, die die Speiseröhre hochgestiegen war.
»Weil du mich so verdammt an mich selbst erinnerst.« Schadeck hielt ihm die Hand mit der vernarbten Innenfläche vor die Augen.
»Ich hab dir doch von meinem Vater erzählt«, sagte Tom. »An dem Abend, an dem meine Mutter den Kartoffelbrei nicht richtig gesalzen hatte, ist er auch noch auf die lustige Idee gekommen, meine Hände in einen Waffeltoaster zu klemmen.«
Toms Hand verschwand wieder.
»Nachdem er meiner Mutter den Kiefer gebrochen hatte, war er in die Kneipe gegangen, und als er wieder nach Hause wankte, war Mama weg. Sie war ins Krankenhaus gefahren, doch diesmal hatte sie meinen Bruder und meine Schwester mitgenommen. Nur ich war dageblieben, um die Sache mit meinem Vater endgültig zu regeln. Doch ich hatte ihn unterschätzt. Auch wenn er die halbe Kneipe ausgesoffen hatte, war er immer noch stark wie ein Kampfhund.«
Schadeck trat wieder seitlich an den Seziertisch. »Er wollte wissen, wo seine anderen Kinder sind. Meine Hand klemmte also in dem Waffeleisen, ich schrie und bettelte, er möge aufhören, ich wollte mich befreien, doch er hat nur gelacht. Weißt du, was ich an jenem Tag gelernt habe?«, fragte Tom gefährlich leise und gab sich selbst die Antwort: »Mit roher Gewalt kommst du gar nicht weiter.«
Er warf die Knochensäge auf den Beistelltisch zurück, und Caspar stöhnte erleichtert.
»Die Schmerzen waren unerträglich, aber ich habe sie nicht verraten. Papa ließ erst von mir ab, als ihm wegen des süßlichen Gestanks selbst übel wurde. Er dachte, ich würde es wirklich nicht wissen, der versoffene Idiot. Hätte er einmal in seinem Leben in ein medizinisches Lexikon geschaut, hätte er die Wahrheit viel einfacher aus mir herausholen können.«
»Was meinst du damit?«, sagte Caspar, und die Erleichterung wich rasch einer noch unbestimmten Angst. Schadeck lachte wieder.
»Ich werde es dir zeigen. Du bist doch Arzt. Was sagt dir Thiopental?«
»Ein Barbiturat«, sagte Caspar automatisch. Hochwirksam, führt bereits in wenigen Sekunden zur vollständigen Bewusstlosigkeit. In der Anästhesie wird es zur Einleitung der Vollnarkose benutzt.
»Richtig«, bestätigte Schadeck. »In höheren Dosen schießt das Hypnotikum dich in ein anderes Universum. Niedrig dosiert ist es krampflösend, macht ungezwungen und unkontrolliert redselig. Deshalb wird es von den Geheimdiensten auch so gerne bei Verhören eingesetzt. Na, was meinst du? Ist es nicht wunderbar, wie gut die Klinikapotheke sortiert ist?«
Schadeck deutete auf Caspars Armbeuge.
»Keine hektischen Bewegungen. Sonst jage ich dir die Spritze Thiopental ins Auge und nicht in deine Vene.«
     

03.03 Uhr
    In der Welt der modernen Mythen nimmt die Legende vom Wahrheitsserum einen vorderen Platz in der Rangliste des Halbwissens ein. Die meisten Menschen glauben, es gäbe eine chemische Substanz, mit der ein Folterknecht den Willen seines Opfers brechen kann. Ein Mittel, das, einmal in die Blutbahn gelangt, jedes noch so gut behütete Geheimnis entlarvt.
Die Realität jedoch, in der Caspar in diesem Augenblick gefangen war, sah anders aus. Schlimmer. Hoffnungslos.
Denn das Narkosemittel, das ihm gerade injiziert wurde, hebt nur den biochemischen Teppich an, unter den man seine intimsten Geheimnisse gekehrt hat. Ein Phänomen, das jedem Anästhesisten bekannt ist. Es macht die Narkoseärzte zu Beichtvätern, wenn ihre Patienten ihnen in den letzten Sekunden vor der Operation unfreiwillig die größten Sünden anvertrauen. Gerade Frauen neigen dazu, ihre sexuellen Vorlieben in drastischer Weise offenzulegen. Thiopental schwächt also das Kontrollzentrum im Gehirn. Aber es löst nur die absichtlich unterdrückten Gedanken, nicht die, die unbewusst in den Trümmern der Seele verschüttet worden sind.
»Halt, nicht, warte …«, flehte Caspar, hauptsächlich, um Zeit zu gewinnen. Etwas Kaltes lähmte von innen heraus seinen linken Arm. Er konnte nicht sehen, wie viel des Spritzeninhalts ihm soeben von Tom in die Adern gejagt worden war, doch es fühlte sich an wie ein halber Liter Kühlflüssigkeit.
»Keine Sorge, ich weiß, wie man Spritzen setzt. Die erste

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