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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Ärztin, die sich so liebevoll um ihn gekümmert hatte, als er ihre Hilfe brauchte, um zu sich selbst zu finden. Und zu seiner Tochter, die er im Stich gelassen hatte, als ihre Not am größten war. Jetzt, wo er einige Scherben der Erinnerung wieder zusammengesetzt hatte, waren sie und Sophia noch viel mehr verloren, als er es jemals gewesen war. In sich selbst gefangen, eingeschlossen in dem Gefängnis ihres eigenen Körpers. Wer weiß, vielleicht kann ich mich ja mal revanchieren?, hatte er Sophia damals gefragt, als sie dabei war, seine Schmerzen zu lindern, die lächerlich gewesen waren im Vergleich zu dem, was sie alle in diesem Augenblick ertragen mussten.
Yasmin, Sybille, Bachmann, Mr. Ed, Linus, Raßfeld … Sophia.
Er presste noch einmal die Augen zusammen, um das Bild nicht zu verlieren. Das Bild der jungen, zerbrechlichen Frau, die nur noch eine einzige, hoffnungslose Chance hatte. Ihn.
In der Gewissheit, sich einer bereits verlorenen Schlacht zu stellen, schlug Caspar die Augen auf und rollte sich auf die Knie. Zwei Minuten später hatte er seine Fesseln gelöst und stand auf, um Sophia und damit sich selbst zu retten.
     

03.29 Uhr
    Es heißt, der Mensch würde sein wahres Ich erst in Extremsituationen erkennen. In Momenten, in denen es die Umstände unmöglich machen, nach den antrainierten Werten zu handeln, die in jahrelanger Konditionierung durch Eltern, Schule, Freunde und sonstige Bezugspersonen von außen an einen herangetragen wurden. Eine Krise sei wie ein scharfes Obstmesser. Sie schäle die Hülle und lege den inneren Kern frei; den ungeformten, meist instinktgeprägten Urzustand, in dem die Selbsterhaltung die Moral dominiert.
Wenn diese Theorie stimmte, dann machte Caspar gerade die erstaunliche Entdeckung, dass er im tiefsten Inneren seiner Seele ein schwacher Mensch war. Denn er konnte es nicht tun, auch wenn es richtig schien, ja sogar überlebenswichtig war, und eine bessere Gelegenheit, Bruck zu töten, sich wahrscheinlich nie wieder bieten würde.
Caspar starrte abwechselnd auf den bewusstlosen Mann zu seinen Füßen und auf das Skalpell in seiner Hand und wollte sich dazu überreden, dem Wahnsinnigen die Kehle durchzuschneiden oder wenigstens seine Pulsadern zu öffnen. Aber es ging nicht. Er konnte es beim besten Willen nicht.
Er wandte sich ab, humpelte zu Greta und redete sich ein, dass ihm lediglich die physische Kraft fehlen würde, dem Seelenbrecher das Leben zu nehmen. Doch er kannte die Wahrheit. Er hatte noch nie zuvor einen Menschen umgebracht. Er hatte noch nie zuvor jemanden absichtlich geschädigt. Aber manchmal traf er Entscheidungen, die ähnliche Folgen nach sich zogen.
Ich bin Niclas Haberland. Und ich habe einen Fehler gemacht.
Greta atmete flach durch den halbgeöffneten Mund. Ihre Augenlider flatterten, und die gekrümmten Finger in ihrem Schoß trommelten zu dem Takt einer Melodie ihrer künstlichen Träume. Ein weißes Filztuch lag wie ein etwas zu klein geratener Sabberlatz auf ihrer Brust. Caspar musste nicht erst daran riechen, um zu wissen, womit es getränkt war.
Aber wieso? Wieso bleibt Bruck nicht seiner Methode treu? Weshalb tötet er Raßfeld, während er Greta nur mit Chloroform betäubt? Und wieso will er ausgerechnet Sophia in einen Zustand versetzen, der sie auf Dauer zwischen Leben und Tod gefangen hält?
Als er den Stuhl nach hinten kippte, grunzte Greta unwirsch, und ihr Kopf neigte sich bedrohlich zur Seite, doch sie rutschte zum Glück nicht herunter, sonst wäre es ihm wohl nie gelungen, sie aus der Gefahrenzone zu bringen. Trotz ihres federleichten Gewichts rissen die kantigen Stuhlbeine kleine Furchen in das alte Parkett, als er sie aus der Bibliothek hinauszog.
Und jetzt?
    Auf dem dicken Flurteppich war die Reibung um ein Vielfaches stärker, er konnte den Stuhl nicht mehr weiterziehen und musste sich ausruhen. Schweißgebadet lehnte er sich an die Wand, hinter der sich die Speisekammer befinden musste, in der Sybille ihre verhängnisvolle Begegnung mit Bruck gehabt hatte. Hier im Gang war das windverstärkte Rauschen des Feuers leiser, dafür hörte er jetzt wieder den hämmernden Kernspin eine Etage unter ihnen.
Klack. Klack. Klack.
Die Magnetwellen peitschten wie Pistolenschüsse in regelmäßigen Abständen die Kellertreppe hinauf. Wie ein Uhrwerk, als brauchte Caspar eine dringende Warnung, dass die Zeit ablief.
Eine halbe Spritze verdünntes Thiopental. Wie lange noch?
Er griff Greta unter die Arme und hob sie hoch. In ihrem

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