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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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schnitten mit glühenden Rasierklingen in die Oberarme. Also lag er schon fast richtig.
Fast. Nur noch einen winzigen Zentimeter, und das brennende Holzscheit würde nicht nur die Haut über seinen Pulsadern aufreißen, sondern auch die darüberliegende Baumwollfessel.
Caspar schrie noch einmal und biss gleich darauf die Zähne aufeinander. Er glaubte neben dem süßlichen Geruch versengten Fleisches endlich auch den von brennenden Baumwollfasern zu bemerken.
Und tatsächlich wurde die Fessel etwas lockerer. Oder ist das nur Einbildung? Macht der Schmerz mich völlig irre?
Er zog beide Arme so gut es ging auseinander, um dem Feuer möglichst viel Angriffsfläche anzubieten. Lockert sie sich? Ich glaube …
    Ja.
Nein.
Ja.
Nein. Zu spät.
    Er zog die Arme aus dem Feuer und sah zur Eingangstür. Sie stand offen. Viel weiter als noch Sekunden zuvor. Ein kühler Zug wehte von draußen über den Boden in seine angstgeweiteten Augen, die ihren Blick nicht von dem Seelenbrecher abwenden konnten, der gerade den Raum betrat.
     

03.25 Uhr
    Caspar rückte wieder von der unerträglichen Hitze ab und ließ den Kopf sinken. Seine Handgelenke hatten in der Tat etwas mehr Spielraum. Aber wozu sollte er den nutzen?
Einem zweiten Kampf war er nicht gewachsen. Er öffnete die Finger, griff nach der Asche hinter seinem Rücken, erwischte ein kleines Stück glühender Holzkohle und ließ sie vor Schmerz sofort wieder fallen. Es war zwecklos.
Aus seiner Position, zumal mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen, konnte er Bruck nichts ins Gesicht werfen. Und selbst wenn?
Wir hätten den Kamin hochklettern sollen , schoss ihm durch den Kopf. Ironischerweise in einem Augenblick, in dem alle Chancen verspielt und sämtliche Fluchtwege versperrt waren. Und überhaupt – ganz sicher hätte oben am Ausstieg ein mehrfach verriegeltes Gitter auf sie gewartet. Wie auch immer. Diese Überlegungen waren sinnlos. Jetzt, da der Seelenbrecher nur noch fünf seiner hinkenden Schritte von seiner gefesselten Beute entfernt war. Von ihm.
Bruck keuchte, sein Atem pfiff aus der Halswunde. Er zog das rechte Bein nach, und ein funkelnder Gegenstand wanderte von der rechten in seine linke Hand. Noch vier Schritte.
Ein Messer? Eine Schere?
Das Licht war zu unstet, und ohne seine Kontaktlinsen verschwammen die kleineren Objekte aus dieser Entfernung vor seinen Augen. Vermutlich hielt er ein Skalpell, das er sich in der Zwischenzeit in der Apotheke besorgt haben musste. Vielleicht hatte er damit auch schon Schadeck ausgeschaltet.
Drei Schritte noch.
Caspar zappelte ziellos auf dem Boden umher, wie eine Spinne, der man ein Bein ausgerissen hat und die sich bei ihrem Fluchtversuch immer nur um die eigene Achse dreht. Er hoffte auf ein Wunder, betete, dass Greta wieder zu Sinnen kommen, aufstehen und dem Seelenbrecher von hinten die Kaminschaufel in den Rücken rammen würde, doch ein Blick aus den Augenwinkeln verriet ihm, dass ihre Beine weiterhin teilnahmslos über der Stuhlkante baumelten, eine Marathonstrecke von mindestens drei Metern von ihm entfernt.
Er wollte um Hilfe brüllen und musste bei dem Rauch in seiner Lunge paradoxerweise an die Empfehlung denken, bei Gefahr im Verzug besser »Feuer« zu schreien, da die meisten Passanten bei Hilferufen verschreckt wegsahen, und dieser Gedanke hätte ihn beinahe zum Lachen gebracht, wenn der Tod nicht schon so nah gewesen wäre.
Noch zwei Schritte.
Und dann, in dem Moment, in dem er erkannte, dass es tatsächlich ein Skalpell war, das Bruck wie einen Bleistift in seinen langen Fingern hielt, exakt in der Sekunde, in der sein Schmerzbewusstsein durch eine letzte große Panikwelle in seinem Körper vollständig überflutet war, genau in diesem Augenblick begann der Seelenbrecher zu tanzen.
     

03.26 Uhr
    Es war ein Ballett des Grauens, aufgeführt von einem verwahrlosten Wahnsinnigen, der sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben schien. Caspar kam es vor, als laufe die Inszenierung des Totentanzes in Zeitlupe vor ihm ab, doch in Wirklichkeit dauerte alles nur wenige Sekunden.
Es begann damit, dass Brucks Mund sich öffnete, langsam und kaulquappengleich. Sein linkes Bein zitterte spastisch, er hob den Fuß an und ruderte gleichzeitig mit beiden Armen, augenscheinlich, um das Gleichgewicht zu halten, was ihm aber wenig nutzte.
Dann krümmte er sich, als hätte ihm jemand einen Magenschlag versetzt, ein Arm erstarrte in der kreisenden Bewegung, der andere versuchte seinen Fuß zu berühren.
Bruck drehte

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