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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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eine Er trinkende an die Plastikgriffe des Rollstuhls. Ihr durchgeschwitzter, von Staub, Blut und Infusionslösung verschmutzter Kittel rutschte über eine ihrer Schultern. Dann schlug ihr Kopf gegen den lackierten Metallgriff des Schürhakens. Es klang, als prallten zwei Billardkugeln aneinander. Caspar eilte zu ihr, packte mit beiden Händen ihren Kopf und federte mit der Rückseite seiner Hand einen weiteren Zusammenstoß zwischen dem Eisenstab und ihrer Schläfe ab. Damit sie sich nicht weiter verletzen konnte, zog er den Schürhaken hinaus. Als er ihn aus der verklemmten Verankerung gerissen hatte, begriff er, dass er womöglich seine letzte Rettung in den Händen hielt. Der Fahrstuhl! Die Tür!
Caspar versuchte gar nicht erst den letzten Rest ihrer kostbaren Zeit dadurch zu vertrödeln, indem er mit der Stange auf das unzerbrechliche Milchglas einschlug. Er schleppte sich so schnell es ging zum Aufzug zurück und beobachtete die Anzeige.
Erstes Untergeschoss. Nur noch wenige Meter. Es muss funktionieren. Bitte, lieber Gott, lass es funktionieren.
Das L-förmige Kaminbesteck war etwa so lang wie ein Tennisschläger und wies an dem Haken schon deutliche Gebrauchsspuren auf. Zum Glück war es an seinem Ende seitlich etwas abgeflacht, ähnlich wie die Kante eines Schraubenziehers. Caspar benutzte den Schürhaken als Brechstange und rammte ihn zwischen den mittleren Spalt der Fahrstuhltüren.
Wenn der Lift so etwas wie eine Sicherung besitzt, dann …
Er biss sich auf die Lippe, während es ihm gelang, die Türen für wenige Zentimeter auseinanderzuhebeln. … dann würde er stehenbleiben, sobald … Mist. Nein.
    Ihm war der Griff aus den Händen gerutscht, und die Tür schnappte wieder quietschend zusammen. Sie war gerade einmal lange genug offen gewesen, um ihm zu zeigen, wie nahe der Tod bereits gekommen war. Die Unterseite der Kabine hatte knapp über seinem Kopf geschwebt.
Also gut. Neuer Versuch. Der letzte …
Wieder steckte er den Schürhaken in den Schlitz, wieder presste er sich mit aller Kraft dagegen, und wieder öffneten sich die Türen für wenige Zentimeter. Caspar spürte einen muffigen Luftzug, roch das Schmieröl, das ihm mit der staubigen Brise aus dem Schacht entgegenschlug, und hörte auf einmal den Kernspin wieder lauter wummern, was vermutlich daran lag, dass seine Sinne jetzt auf Hochtouren arbeiteten oder, was noch wahrscheinlicher war, dass das waschmaschinenartige Dröhnen dank der geöffneten Türen jetzt noch besser im Keller verteilt wurde.
O nein …
Er dachte schon, er würde wieder versagen, würde den Stab ein zweites Mal verlieren, doch dann gelang es ihm, den Spalt so weit aufzubrechen, dass er den nackten Fuß in die Schwelle stellen konnte, gerade noch rechtzeitig, bevor die Aufzugtüren wieder zusammenfuhren. Es knackte laut, und Caspar vermutete schon, seine Zehen wären zermalmt worden, doch tatsächlich war das eingetreten, worauf er gehofft hatte. Der Fahrstuhl blieb stehen, nachdem das digitale Hirn seines Sicherungssystems eine unsachgemäße Türöffnung festgestellt hatte.
    Geschafft.
Keine Sekunde zu früh. Brucks Kabine befand sich mittlerweile in Augenhöhe. Caspar streckte sich, damit er durch den schmalen Schlitz in den Aufzug hineinspähen konnte, und sein Blick traf direkt auf die blutigen Füße des Seelenbrechers.
Er wandte sich angewidert ab und verkeilte den Schürhaken zwischen der Tür, so dass jetzt der untere Knick des L zwischen den Aluminiumwänden steckte. Dann wischte er sich den Schweiß von der Stirn, schluckte zweimal, um den Druck aus den Ohren zu bekommen, der sich durch die Anstrengung aufgebaut hatte, und drehte sich zu Sophia herum.
Gott sei Dank.
Sie wirkte ruhiger. Die unheilvollen Vibrationen hatten nachgelassen und erstreckten sich jetzt nur noch auf ihre Augen. Und das war ein gutes Zeichen. Sie wachte auf. Oder etwa nicht?
Caspar stolperte zu ihr zurück.
»Sophia? Kannst du mich hören?«, fragte er, als er zu ihren Füßen kniete Er überlegte, ob er seine Fingerspitzen auf ihre zuckenden Lider legen sollte, um sie zu beruhigen. Vorerst begnügte er sich damit, ihre langen Wimpern zu streicheln, sie von dem verkrusteten Sekret zu befreien, das sich in ihnen verfangen hatte, um ihr das Öffnen der Augen zu erleichtern.
Er massierte erneut die Innenfläche ihrer Hände, registrierte mit wachsender Euphorie, wie ihre klammen Finger einen leichten Gegendruck ausübten, und musste an die Rätselkarte denken, die sie gehalten hatten.

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