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Der Seelenbrecher

Der Seelenbrecher

Titel: Der Seelenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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all die verschiedenen Vorgehensweisen. Das erklärte auch, wieso Bruck im Fahrstuhl so wenig Gegenwehr geleistet hatte. Er hatte Sophia niemals töten, sondern nur isolieren wollen. Und er war mit dem Skalpell zurückgekommen, um ihn zu befreien. Bruck hatte ihn nie erstechen, sondern losbinden wollen und damit kostbare Zeit verloren, die Sophia nutzen konnte, um erst Tom auszuschalten und danach in den Keller zu fahren, um sich hier vor dem Labor selbst in Szene zu setzen. »Hör auf, bitte, …«, setzte Caspar noch einmal an. »Ich weiß, du denkst, ich sei schuld an dem Schlaganfall unserer Tochter. Aber so war es nicht. Ihre Lehrerin hatte einen Missbrauchsverdacht. Marie machte komische Zeichnungen, deshalb hat sie mich angerufen. Das weißt du doch. Ich habe sie nur hypnotisiert, um herauszufinden, ob sie misshandelt wurde. Und ja, dabei ist etwas schiefgegangen, aber …«
Ich bin Niclas Haberland, Arzt für Neuropsychiatrie und Experte auf dem Gebiet der medizinischen Hypnose, und ich habe einen Fehler gemacht.
»… aber die Hypnose war dafür nicht ursächlich. Deshalb bin ich doch gekommen, um es dir zu erklären.« Deshalb hatte er sie in der Klinik besucht, vor zehn Tagen. Um sich endlich mit ihr auszusprechen. Und ihr das Gutachten zu geben, aus dem hervorging, dass die Schäden, die Marie erlitten hatte, nicht durch eine fehlerhafte Hypnose verursacht worden sein konnten.
Der Brief mit dem Gutachten von J. B., Jonathan Bruck. Ein Kollege Raßfelds. Und ein Experte auf dem Gebiet der Schlaganfälle.
All das wollte er ihr sagen, während seine Exfreundin ihm eine Hand auf die Stirn legte und sich mit der anderen ihre blutige Nase abwischte, die sie sich im Zweikampf mit Bruck zugezogen haben musste. Oder mit Yasmin, deren Stichwunde sicherlich auch auf ihr Konto ging.
Es war unfassbar. Er war der Spinne von alleine ins Netz gegangen. Er hatte sogar seinen einzigen Retter im Fahrstuhl ausgehebelt, mit einem Werkzeug, auf das ihn Sophia erst hatte aufmerksam machen müssen.
Jetzt, da die Amnesie sich verflüchtigte, wünschte er sich die Gnade eines weiteren Gedächtnisverlusts herbei. Warum konnte nicht alles so unerklärlich bleiben wie die Frage, weshalb Bruck hier überhaupt bei ihnen in der Klinik war? Weshalb er sich das Messer in den Hals gerammt hatte und wieso Sophia auch all die anderen Frauen hatte quälen müssen?
Wieso durfte das im Dunkeln bleiben, während ihn die grauenhafte Erkenntnis heimsuchte, dass Bruck ihnen nie etwas hatte antun wollen? Im Gegenteil. Die ganze Zeit über hatte er sich wegen seiner Atemwegsverletzung nicht verständigen können, hatte mehrfach Sophias Namen gebrüllt und sogar versucht, ihn mit seinem eigenen Blut an die Glasscheibe der Radiologe zu schreiben. Doch sie hatten alle Zeichen falsch gedeutet und sich dagegen gewehrt, wenn er sie aus der Gefahrenzone schleppen wollte. Weit weg von Sophia, hierher in die abgeschlossene, sichere Zuflucht des Labors, hinter deren Türen die Menschen nicht als Geiseln, sondern als Befreite gegen die Scheibe hämmerten. Auch nicht, weil sie um Hilfe schrien, sondern um ihn vor Sophia zu warnen, bevor es zu spät war.
    Ich war so dumm. So blind. So unwissend.
Caspar öffnete den ausgetrockneten Mund. Seine Augen tränten, weil die künstlich geweiteten Pupillen schutzlos dem grellen Deckenlicht ausgesetzt waren. Sie schmerzten, weil er das reinigende Sekret nicht mit seinen Wimpern verteilen konnte. Das Licht brach sich wie durch ein Prisma an den Spitzen seiner verklebten Wimpern und gaben Sophias hübschem Gesicht einen Rahmen aus verschwommenen Regenbogenfarben. Und dann konnte er wieder hören.
Nur für einen winzigen Moment brach der akustische Schutzwall zusammen. Das Fiepen in seinen Ohren, das er erst in dem Augenblick wahrgenommen hatte, als es verschwand, wurde durch Sophias einfühlsame Stimme ersetzt.
»Je stärker du dagegen ankämpfst, desto tiefer wirst du fallen«, sagte sie ruhig, den Blick auf seine starren Pupillen geheftet.
Was meint sie? Ein letztes Rätsel? Ist es das? Meine letzte Chance?
»Je stärker du dagegen ankämpfst, desto tiefer wirst du fallen«, wiederholte sie, und dann zog ihn jemand von Sophia weg.
Er wollte sich schon freuen, dachte an Bruck, dem es irgendwie gelungen sein musste, den Schürhaken zu lösen, oder Linus, der bestimmt Hilfe von außen geholt hatte, doch dann fiel ihm ein, dass die Bewegung seines Körpers physikalisch unmöglich war. Denn er fiel nach unten. Durch den

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