Der Seelenfänger
einsperren müssen.«
»Und was hast du jetzt mit ihm vor?«
Preacher zuckte die Achseln. »Nicht viel. Ich glaube, ich werde ihn am Morgen laufen lassen.«
»Du wirst sowieso nicht so weitermachen können wie bisher.«
Preacher fuhr hoch. »Wieso nicht?«
»Ich habe unterwegs an einer Raststätte haltgemacht und im Fernsehen einen Bericht über die Verhaftung der Leute gesehen, die angeblich Sharon Tate umgebracht haben. So ein paar Hippies, sie werden die Manson-Familie genannt. Der Chef ist ein gewisser Charles Manson, und ich sage dir, der Typ hat genauso einen Bart und solche Haare wie du.«
»Crazy Charlie«, sagte Preacher und nickte. »Das wundert mich nicht. Dem traue ich so etwas zu. Der Kerl ist verrückt.«
»Du kennst ihn?«
»Ich hab ihn vor Jahren ein paarmal in Haight Ashbury gesehen.«
»Du hast da eine Menge Moos auf dem Tisch liegen. Das Jesus-Geschäft scheint offenbar besser zu gehen als unsere Mohammed-Kiste. Soviel Mäuse haben wir nie eingesammelt.«
»Es ist kein Geschäft«, sagte Preacher. »Jesus ist Liebe.«
»Nenn es, wie du willst, Preacher. Ich finde, es sieht nach dem ganz großen Geld aus. Ich glaube, du sitzt auf einer Goldgrube und weißt es nicht einmal.«
Preacher sah nachdenklich auf. »Meinst du wirklich?«
»Darauf kannst du deinen weißen Hintern verwetten«, sagte der Farbige. »Ich erinnere mich noch, wie es war, wenn meine Mutter zum Gottesdienst ging. Wenn der Pfarrer rief, wurde er förmlich mit Geld überschüttet. Er brauchte bloß den Mund aufzumachen und >Jesus< zu schreien!«
Jesus ist Geld
Erstes Kapitel
Jake Randle hatte es sich auf dem Rücksitz seines schwarzen Mercedes 600 bequem gemacht. Draußen, vor den dunkelgetönten, kugelsicheren Scheiben, die ihn vor neugierigen Blicken schützten, verbrannte die Sonne von Texas die Erde, aber Old Jake spürte es nicht. Die eingebaute Klimaanlage sorgte für eine angenehme Temperatur im Inneren des Wagens.
Zwischen seinen Lippen wippte unangezündet eine Havanna, auf der er vorsichtig herumkaute, damit sein Gebiß nicht verrutschte. Rauchen macht längst nicht soviel Spaß wie Kauen, pflegte er manchmal zu sagen. Das einzige, was ihn an der Havanna störte, war die ärgerliche Tatsache, daß die Kommunisten auf Kuba sowohl die Erzeugung als auch den Vertrieb kontrollierten. Wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte, dann hätte er diese ganze Bagage nach Rußland geschickt und Kuba den Leuten zurückgeben, die wußten, was sie den Amerikanern an Dank und Respekt schuldig waren. Ohne die Amerikaner wäre die Insel immer noch eine spanische Kolonie! Den Hintern könnten sie Spanien küssen!
Als der schwere Wagen von der Hauptstraße der kleinen Stadt, die den Namen seines Großvaters trug, auf die asphaltierte Privatstraße abbog, die zu seiner vierzig Meilen entfernten Ranch hinausführte, warf Randle einen Blick aus dem Fenster. Das letzte Gebäude des Ortes war eine verfallene Scheune, die nicht mehr benutzt wurde, seit vor zwanzig Jahren der Fluß, an dem sie lag, endgültig ausgetrocknet war. Randle stutzte plötzlich. Auf dem Stoppelfeld neben der Scheune hing zwischen zwei Masten ein riesiges Transparent, zwei Meter hoch und sechs Meter breit. Grell leuchtete die rote und schwarze Leinwand.
Randle klopfte an die Trennscheibe. »Bitte, halten Sie«, sagte er zu dem Chauffeur.
»Jawohl, Mr. Randle.«
Der Mercedes rollte am Straßenrand aus, und Old Jake setzte seine Brille auf. Er hatte keine Schwierigkeiten zu lesen, was auf dem Transparent stand. Die Buchstaben waren schön groß und sehr deutlich.
»IHR KENNT SIE VOM FERNSEHEN!«
Darunter waren vier grob gerasterte Fotos zu sehen, jedes mit dem Namen des abgebildeten Mannes: Oral Roberts, Rex Hum-bard, James Robinson, Jerry Falwell. Darunter aber folgten ein wesentlich größeres Bild sowie der Text: »JETZT LIVE HIER BEI IHNEN: C. ANDREW TALBOT, DER GRÖSSTE DER EVANGELISTEN! SONNTAG, 16 UHR 30. EINTRITT FREI. JESUS BRAUCHT EUCH - NICHT EUER GELD!« Weiter unten stand dann noch in sehr viel kleinerer Schrift: »Eine Veranstaltung der Gottesgemeinde, Kirche der amerikanischen Christen, Los Altos, California.«
Randle hatte den Text eben zu Ende gelesen, als auf dem Ak-ker hinter dem Transparent eine riesige Staubwolke aufstieg, aus der sich nach und nach die Umrisse eines Zirkuszeltes herausschälten. Als der Staub sich verzogen hatte, konnte Randle auch die Traktoren erkennen, mit denen die Halteseile gespannt wurden. Praktisch
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