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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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als ihn Preacher vor Jahren in Oakland aufgesucht hatte, irgend jemand gesagt hätte, daß er jemals mit einem Jesus-Freak in der glühenden Hitze von Texas herumreisen würde, dann hätte Joe schallend gelacht. Aber genauso war es gekommen. Jetzt war er hier, und Beverly auch, von der restlichen Truppe zu schweigen.
    Manchmal fragte sich Joe, ob Preacher eigentlich wußte, welche Macht er über die Menschen besaß. Wie sie ihm zuhörten, wie sie ihm glaubten, wie sie sich ihm aufschlossen. Preacher trug das Wort Gottes mitten ins Leben der Menschen hinein. Er hätte sich bloß irgendwo niederlassen und seine Fähigkeiten ausnützen müssen. Das Geld wäre scheffelweise ins Haus gebracht worden.
    Aber Preacher war daran nicht interessiert. Wahrscheinlich hörte er nie richtig zu, wenn sie ihn dazu überreden wollten, doch endlich eine Gemeinde zu gründen. Immer wenn sie davon anfingen, wie schön es doch wäre, eine eigene Kirche zu haben, starrte er vage ins Leere und gab geduldige, ausweichende Antworten. Dann waren sie plötzlich die Kinder, die nicht wußten, worauf es ankam im Leben.
    »Nein. Ein festes Haus ist nicht das richtige Forum für mich. Der Herr hat mir nicht den Auftrag gegeben, irgendwo Wurzeln zu schlagen, sondern sein Wort in die Herzen der Menschen zu pflanzen. Ich höre, was er seinen Jüngern gesagt hat.« An dieser Stelle machte er meist eine kleine Pause, ehe er die Worte aus dem Markus-Evangelium zitierte, um die Diskussion zu beenden: »>Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur.««

Zweites Kapitel
    Um halb vier hatte Joe schon hundertsiebenundachtzig parkende Autos und vierhunderteinundachtzig Personen gezählt, nicht eingerechnet die zahllosen Kinder, und auf der Straße warteten immer noch Wagen, die auf das Feld fahren wollten. Joe nickte zufrieden. Diesmal würde etwas hängenbleiben. Vielleicht mehr als achthundert Dollar.
    Aus vier riesigen Lautsprechern dröhnte die Gospel-Musik auf die Straße hinaus. Sie hatten moderne Lieder ausgewählt, wehmütig, aber doch mit energischem Beat, mehr Country & Western als frommer Choral, und die Leute sprachen sehr gut darauf an. Die Atmosphäre war freundlich, beinahe festlich. Die Bankreihen füllten sich schon. Im Zelt gab es siebenhundertfünfzig Sitzplätze. Sechs Mädchen in wallenden weißen Gewändern führten die Besucher ins Zelt und gaben jedem eine Broschüre mit dem Programm. Joe lächelte. Dieses Arrangement verfehlte nie seine Wirkung.
    »Willkommen im Namen des Herrn, Jesus Christus«, sagte das Mädchen und lächelte freundlich. Und wenn die Besucher saßen, drückte es ihnen das Programm in die Hand.
    »Amen«, sagten die Leute dann meistens. Und: »Danke.«
    Dann lächelte das Mädchen erneut und streckte die Hand aus. »Das Programm kostet einen Dollar. Das Geld geht im Namen des Herrn an die Armen und Kranken.«
    Es folgte meist eine winzige Pause, ein kurzes Zögern, und dann kam der Dollar zum Vorschein. Nie gab jemand sein Programm an die Mädchen zurück. Der Vorgang fand ja in aller Öffentlichkeit statt, und der jeweilige Besucher mußte befürchten, daß sein Verhalten von allen Bekannten und Nachbarn beobachtet wurde.
    Dann sagte das Mädchen: »Ich danke Ihnen im Namen unseres Herrn, Jesus Christus«, steckte das Geld in den Beutel und ging dem nächsten Besucher entgegen.
    Joe überzeugte sich mit einem raschen Blick, daß der Besucherstrom noch immer nicht abriß, und ging dann strahlend zum Wohnwagen Preachers. Diesmal klopfte er nicht, sondern stieg einfach die Treppe hinauf und machte die Tür auf. »He, Prea-cher«, rief er energisch.
    »Ja, ich bin hier.«
    Joe trat ein und machte die Tür hinter sich zu. Preacher saß ganz hinten im Wagen. Predigtnotizen und Zettel mit Bibelzitaten lagen vor ihm auf dem Tisch. »Sag mal, Preacher, glaubst du an Gott?« fragte Joe.
    »Was ist denn das für eine dämliche Frage?« gab Preacher zurück. »Du weißt doch genau, daß ich an Gott glaube, oder?«
    »Wenn Gott dir ein Zeichen schickt, glaubst du, du würdest das merken?«
    Preacher sah ihn verblüfft an. »Was soll das?«
    »Ich habe so eine Ahnung. Ich glaube, daß heute da draußen ein Wunder geschieht«, sagte Joe.
    Preacher schwieg einen Augenblick. »Ich frage mich wirklich, worüber du redest«, sagte er schließlich. Seine Stimme klang mißtrauisch.
    »Als du heute in der Baptistenkirche gewesen bist, war so ein Mann da. Er saß in einem dicken Mercedes, mindestens zehn Meter lang.

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