Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
wahr?«
    »Nein, Sir«, bestätigte Joe. »Talbot interessiert sich nur dafür, daß er die Sünde aus den Leuten rauskriegen tut, damit sie sich hinknien und Jesus um Gnade anflehen.«
    Randle dachte einen Augenblick nach. »Solche Prediger mag ich. Mit dem neumodischen Kram hab ich gar nichts im Sinn.«
    »Er auch nich’.«
    »Gut. Vielleicht komme ich später zur Predigt, aber jetzt möchte ich erst einmal mit ihm reden. Wo ist dieser Talbot?«
    »Ist noch nich’ hier, Sir«, erwiderte Joe. »Er ist in der Kirche drüben und betet mit der Baptistengemeinde. Aber er freut sich bestimmt, wenn er hört, daß Sie da waren. Vielleicht haben Sie nach dem Gottesdienst Zeit?«
    »Vielleicht«, sagte Randle. Er zog einen Hundert-DollarSchein aus der Tasche. »Halten Sie mir in der ersten Reihe eine Bank frei! Ich sitze gern ein bißchen für mich, ja?«
    Joe sah das Geld an. »Eintritt frei, Sir. Das Geld kann ich
    nich’ annehmen.« Er kratzte sich am Kopf. »Aber die erste Reihe halt ich Ihnen bestimmt frei!«
    »Tu das, mein Junge!« Randle lehnte sich wieder in den Sitz zurück und ließ das Fenster hinaufgleiten.
    Joe blieb stehen und sah andächtig zu, wie der Mercedes zur Straße zurückrollte und eilig davonschoß.
    Einer der Arbeiter grinste ihn an. »Das war ja ein gräßliches Arschloch. Ich dachte, ich spinne, als du plötzlich den dämlichen Nigger gespielt hast.«
    Joe warf dem Mann einen kühlen Blick zu. »Du hast ein ziemlich großes Maul, Johnson. Wenn du deine Hände so eifrig wie deine Zunge bewegtest, wären wir vermutlich schon fertig.«
    Johnson starrte dem Wagen nach, der immer rascher dem Horizont zustrebte. »Mann, das ist wirklich ein riesiger Schlitten«, meinte er bewundernd.
    »Wenn du nicht sofort wieder an die Arbeit gehst, Johnson, sorge ich dafür, daß dir die Augen vollends aus dem Kopf fallen.«
    Johnson hielt beschwichtigend die Hände hoch. »Okay, Boß, okay.«
    Joe wartete, bis Johnson wieder im Zelt war, dann drehte er sich noch einmal um. Der Mercedes war weg. Joe schüttelte bedauernd den Kopf, bevor er hinter das Zelt zu Preachers Wohnwagen ging. Das große silberne Wohnmobil mit dem schwarzen Symbol der Gottesgemeinde an den Seiten funkelte wie ein Juwel in der Sonne. Joe machte die Tür auf und fragte: »Bist du da, Beverly?«
    Die Stimme von Barbara Soong, die aus Sicherheitsgründen den Namen Beverly Lee beibehalten hatte, kam aus dem hinteren Teil des Wagens. »Komm nur rein, Joe.«
    Er trat ein, schloß die Tür hinter sich und blieb einen Augenblick reglos stehen, um sich an das gedämpfte Licht zu gewöhnen und die angenehme Kühle zu genießen, die ihn plötzlich umfing.
    Beverly saß an dem kleinen Eßtisch, der zugleich als provisorischer Arbeitsplatz herhalten mußte. Kontobücher, Rechnungen und Belege stapelten sich vor ihr auf dem Tisch.
    »Wie sieht’s denn aus?« fragte Joe.
    Beverly hob den Kopf. »Wie üblich sind wir pleite. Wir kommen einfach finanziell auf keinen grünen Zweig. In jeder Stadt nehmen wir gerade so viel ein, daß wir es bis zur nächsten schaffen.«
    »Hast du mit Preacher darüber gesprochen?« fragte er.
    »Natürlich«, sagte sie. »Ich habe mit ihm geredet, bis ich blau im Gesicht war, aber er hört gar nicht hin. >Unser Trachten gilt Gotte, sagt er mir immer, >nicht dem Geld<.«
    »Wann wird der Bursche nur endlich erwachsen?« fragte Joe und rollte die Augen. »Die ortsansässigen Kirchen wären bestimmt mit zwanzig Prozent der Kollekte zufrieden. Er brauchte ihnen wirklich nicht fünfzig Prozent in den Rachen zu schmeißen.«
    Beverly schwieg.
    »Weißt du eigentlich, wieviel diese Fernseh-Evangelisten kassieren?« fragte Joe. »Die verdienen Millionen. Die brauchen sich nicht abzuschinden, die tingeln nicht mit dem Zirkuszelt durch die Lande und brauchen auch nicht aus dem Koffer zu leben. Die haben eigene Jets und steigen nur in den besten Hotels ab.«
    »Ich weiß«, sagte Beverly knapp.
    »Die fressen jeden Tag Roastbeef und Steaks«, fuhr Joe unbeirrt fort.
    Beverly lächelte schwach. »Gelegentlich auch mal Chow mein?«
    Joe schüttelte grinsend den Kopf. »Ich verstehe wirklich nicht, warum du mit uns rumziehst, Beverly. Du hast es doch wirklich nicht nötig. Du hast doch genug Geld.«
    Beverlys Augen schienen plötzlich zu leuchten. »Du weißt genau, warum ich bleibe, Joe. Aus demselben Grund, der uns alle hier hält«, sagte sie. »Wir lieben ihn, das genügt doch.«
    Dagegen fiel ihm kein Argument ein. Wenn ihm damals,

Weitere Kostenlose Bücher