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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gleichzeitig wurde in das hintere Ende des Zeltes eine Plattform geschoben und ein riesiges weißes Kreuz hochgezogen. Ein Gabelstapler mit zusammenklappbaren Holzbänken fuhr unter die Kuppel, und zwei Männer stellten flink die Bankreihen auf. Dann rauschte hinter der Plattform eine große
    Leinwand herunter, die ein weiteres Porträt des Predigers zierte. Andrew Talbot zeigte mit ausgestrecktem Finger auf den Betrachter, ganz wie Uncle Sam auf dem berühmten Rekrutierungsplakat der U. S. Army. Die Worte waren allerdings andere: »JESUS BRAUCHT DICH!« stand auf der Leinwand.
    Hinter dem Zelt entdeckte Randle nun auch die schweren Sattelschlepper, mit denen die ganze Show hergebracht worden war. Sie waren am anderen Ende des Ackers neben den Wohnwagen, Mini-Bussen und Lieferwagen abgestellt. Im Zelt lief alles mit militärischer Präzision ab. Während lange Teppichbahnen auf den Gängen zwischen den Bankreihen ausgelegt wurden, gingen an den Zeltmasten Lautsprecherboxen und Scheinwerfer hoch. Erst hatte Randle geglaubt, daß Dutzende von Menschen am Werk wären, aber als er genauer hinsah, stellte er fest, daß es nur acht Männer waren, die von einem riesigen Neger beaufsichtigt wurden.
    Randle drückte einen Knopf, und die schalldichte Scheibe, die ihn von seinem Chauffeur und dem Leibwächter trennte, senkte sich lautlos. »Fahren Sie auf den Platz!«
    Der Chauffeur nickte und steuerte die schwere Limousine auf das Stoppelfeld. Vor dem Zelt hielt er an.
    »Ist es so recht, Mr. Randle?«
    Der alte Mann ignorierte die Frage. Er senkte das Seitenfenster per Knopfdruck. Einige der Männer hatten einen Moment lang den Wagen beobachtet, der auf sie zurollte, waren aber auf Zuruf des farbigen Aufsehers rasch an die Arbeit zurückgekehrt. Randle steckte den Kopf aus dem Fenster und brüllte: »Hey, Nigger! Komm mal hier rüber!«
    Joe Washington sah ihn einen Augenblick lang erstaunt an, dann ging er auf den Mercedes zu. Er ließ sich nicht anmerken, ob ihm bewußt war, daß der Leibwächter auf dem Vordersitz eilig seine Pistole aus dem Schulterhalfter gezerrt hatte. »Ja, Sir?« fragte er höflich.
    Randle starrte ihn ärgerlich an. Er konnte Schwarze nicht leiden. Niggern und Mexikanern, sagte er immer, kann man nicht trauen. »Was zum Teufel macht ihr hier?«
    »Wir machen Zelt fertig für Gottesdienst, Sir«, sagte Joe im Dialekt der ehemaligen Südstaaten-Sklaven.
    »Wer hat das genehmigt?« fragte Randle.
    Joe zuckte die Achseln. »Wir haben Papiere vom Rathaus.«
    »Das hier ist mein Land«, sagte Randle. »Und mir hat niemand etwas gesagt.« Joe zuckte erneut die Achseln.
    »Ich nix viel wissen, Sir. Ich bloß Arbeiter hier.«
    Randle wandte sich an den Chauffeur. »Verbinden Sie mich mit der Grundstücksverwaltung!« Der Fahrer drückte zwei Tasten, dann gab er den Hörer nach hinten. »Haben Sie die Parzelle an diesen Wanderprediger vermietet?« bellte Randle.
    »Ja, Sir. Sie haben zweihundert Dollar bezahlt.«
    »Warum wurde ich nicht informiert?«
    »Ich dachte, solche Kleinigkeiten interessieren Sie nicht, Mr. Randle. Entschuldigen Sie bitte.« Die Stimme des Verwalters zitterte förmlich.
    »Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, daß ich alles wissen will, was auf meinem Grund und Boden geschieht?« brüllte Randle.
    »Die Leute hatten ausgezeichnete Referenzen, Mr. Randle. Sowohl Reverend Lydon als auch Dekan Ellsworth haben sie dringend empfohlen.«
    Randle schwieg einen Moment lang. Die beiden Geistlichen waren die Stützen der Gemeinde, man konnte sie nicht gut vor den Kopf stoßen. »Das nächste Mal fragen Sie mich!« knurrte er. »Ganz egal, an wen Sie was vermieten!« Dann legte er auf.
    »Wer ist dieser Talbot?« fragte er Joe. »Ich habe den Namen noch nie gehört.«
    Joe machte ein sehr überraschtes Gesicht. »Er ist einer von den allerbesten Predigern, die es überhaupt gibt, Sir. Jeder kennt C. Andrew Talbot.«
    »Im Fernsehen hab ich ihn aber noch nie gesehen.«
    »Haben Sie kein Kabelfernsehen?«
    »Hier draußen nicht, nein.«
    »Ah, deshalb. In Kalifornien ist er immer im Kabel. Glauben Sie mir, wenn Sie ihn einmal gehört haben, das vergessen Sie nie! Wenn Talbot das Wort Gottes erklärt, dann springt der Teufel gleich auf die Beine und rennt wie ein Hase.«
    Randle zwinkerte zufrieden. »So ein richtiger Bußprediger, ja? Der die Leute das Fürchten lehrt?«
    Joe nickte. »Ja, Sir.«
    »Keine Humanitätsduselei, was? Nichts mit dem süßen Jesus, der uns allen das Licht bringt, nicht

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