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Der Seelenfänger

Titel: Der Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Erst wollte er uns von seinem Grundstück vertreiben, dann hat er einen Haufen Fragen gestellt, und am Ende hat er versprochen, er würde zum Gottesdienst kommen, wenn ich ihm die erste Reihe freihalte, damit er für sich sitzen kann.«
    »Und das hast du getan?« fragte Preacher mit einem prüfenden Blick.
    Joe nickte.
    »Ist er schon da?«
    »Nein«, sagte Joe. »Aber es ist ja noch früh. Er wird schon noch kommen.«
    »Was macht dich so sicher?« fragte Preacher neugierig.
    »Er hat mich gefragt, ob du so ein richtiger Bußprediger wärst, der die Leute mit Hölle und Schwefel bedroht, und ich habe ja gesagt. Er sagte, das Geschwätz vom süßen Jesus könne er nicht leiden und das übrige neumodische Zeug. Ich habe ihm gesagt, er solle zum Gottesdienst kommen, du wärest sein Mann.«
    Preacher schüttelte den Kopf. »Das hättest du nicht tun sollen. Du weißt doch, daß das nicht stimmt.«
    Joe warf ihm einen nervösen Blick zu. »Könntest du es nicht versuchen? Nur dieses eine Mal, Preacher. So eine deftige, altmodische Predigt hat schließlich noch niemand geschadet.«
    »Aber das ist doch gar nicht mein Stil«, sagte Preacher.
    Joe druckste herum. »Preacher, ich hab dir das eigentlich vor dem Gottesdienst nicht sagen wollen, aber ich fürchte, jetzt bleibt mir nichts anderes übrig. Die Männer haben gesagt, daß sie gehen, wenn sie nicht heute nach dem Gottesdienst den ganzen rückständigen Lohn bis auf den letzten Cent ausbezahlt kriegen. Ohne Lohn arbeiten, ist nicht ihr Stil. Sie haben Familien, denen sie Geld schicken müssen. Und wir schulden ihnen jetzt schon den Lohn für vier Wochen.«
    »Sie wissen doch, daß wir bezahlen, sobald wir das Geld haben.«
    »Natürlich wissen sie das. Sie fragen sich bloß, wann das Geld kommt. Die Männer sehen doch, was wir einnehmen, und sie wissen, daß es nicht reicht.«
    »Wenn genug Leute kommen«, erwiderte Preacher, »kriegen wir heute vielleicht zweitausend Dollar.«
    »Selbst wenn... Das Geld ist doch gleich wieder weg. Zweihundert kostet die Platzmiete, zweihundert brauchen wir für Benzin, fünfzig Dollar gehen ans Elektrizitätswerk für Strom und Beleuchtung, tausend Dollar, die Hälfte der Einnahmen, gehen an die hiesigen Kirchen. Es bleiben uns also gerade noch fünfhundertfünfzig. Wenn du davon das Geld für das Essen noch abrechnest, bleibt nicht mal genug, um wenigstens einem der Männer den Lohn auszuzahlen.«
    Preacher schwieg.
    »Du wirst Beverly wieder um Geld bitten müssen«, sagte Joe schließlich.
    »Das geht nicht«, sagte Preacher. »Sie hat uns schon viel zu viel Geld gegeben.«
    »Dann brauchst du ein Wunder«, sagte Joe. »Würdest du so ein Wunder erkennen, wenn du es siehst?«
    Preachers Gesicht wurde bitter. »Vielleicht. Wenn du mir zeigst, wer es ist.«
    »Das brauche ich nicht«, sagte Joe. »Er sitzt ganz allein in der ersten Reihe. Sein Name ist Randle. Jake Randle.«
    Als Joe gegangen war, starrte Preacher lange auf seine Notizen. Es war lange her, daß er den Kindern vom Gott der Liebe und des Friedens, von Gottes Geduld und von Gottes Verständnis erzählt hatte. Er hatte sie gelehrt, daß Gott die Sorgen und Bitten aller Menschen anhörte, daß er seinen Sohn als Erlöser geschickt hatte und daß jeder zu ihm in sein himmlisches Reich kommen werde, der an Christus zu glauben bereit war. Aber das war ein anderer Gott als der seiner jetzigen Predigten. Das war der Gott einer idealistischen Gegengesellschaft gewesen, die vom allgegenwärtigen Profitstreben und vom Schrecken der Kriege entsetzt war. Ein Gott für Kinder.
    Und jetzt waren die Kinder erwachsen. Der Gott, in dessen Namen Preacher predigte, schien ein anderer geworden zu sein. Nicht mehr der Gott der Gnade und der Erlösung, sondern der Gott der Rache und der Bestrafung, der alle zu ewiger Verdammnis verurteilen würde, die seinen Sohn nicht als Messias annehmen wollten. Alle Menschen waren in Sünde geboren und mußten auch sterben in Sünde, wenn sie nicht zu Ihm kamen und sich vom Blut des Lammes reinwaschen ließen.
    Preacher schloß seine Augen. Es war doch derselbe Gott, von dem er da sprach. Derselbe Gott! Was war denn vorgegangen mit Ihm, was er nicht erkannte? Oder war er selbst blind gewesen? Hatte er nicht gesehen, was immer schon da gewesen war? Hatte ihm erst jener Tag die Augen geöffnet, an dem die Streifenwagen der Polizei in die Gottesgemeinde gerast kamen?
    Es waren vierzehn Polizisten in vier Streifenwagen gewesen. Sie hatten in einer

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