Der Seelenfänger
gar nichts geändert. Es ist noch genauso wie früher, als wir mit dem Zelt unterwegs waren. Wer das Geld zählt, bestimmt auch, was damit geschieht«, sagte Preacher.
Beverly starrte ihn ungläubig an. »Damals hast du ganz anders geredet.«
»Das ist auch eine ganz andere Situation hier«, entgegnete Preacher. »Es kommt nicht darauf an, meinen Schwiegervater noch reicher zu machen. Dieses Geld ist dazu bestimmt, Gottes Werke zu tun.«
»Okay«, nickte sie und nahm ihre Unterlagen vom Tisch.
Die Stimme der Sekretärin kam aus der Gegensprechanlage. »Mr. Woden hat angerufen. Er fragt, ob er die Maskenbildnerin heraufschicken soll, in einer Stunde fängt die Vorstellung an.«
»In einer Viertelstunde, bitte«, gab Preacher zurück. Er hielt Beverly fest. »Warte noch!«
Sie blieb stehen.
»Laufen alle unsere Einkünfte über den Computer?«
Beverly nickte.
»Können wir die Sache so drehen, daß der Computer nicht alles erfaßt?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Die ganzen Computergeschichten macht deine Frau, und die versteht ihr Geschäft.«
»Das will ich gern glauben«, sagte er trocken. »Aber ich frag ja nicht sie, sondern dich. Ist es möglich?«
»Einfach ist es bestimmt nicht«, sagte sie ruhig. »Aber es ist schon zu machen.«
»Denk dir was aus«, sagte er. »Ich möchte, daß zehn Prozent aller Einkünfte in einen Fonds fließen, den nur du und ich kennen.«
»Okay.« Ein kurzes Lächeln überflog ihr Gesicht. »Das sind ja beinahe chinesische Methoden, die du da vorschlägst.«
»Nein«, sagte er. »Ich bin bloß vorsichtig. Viel zu viele Gemeinden sind skrupellosen Geschäftemachern in die Hände gefallen, weil die Finanzen von anderen kontrolliert wurden. Ich möchte nur dafür sorgen, daß uns nicht das gleiche passiert.«
Preacher wartete, bis sich die Tür hinter Beverly schloß, dann hob er den Telefonhörer ab und wählte eine der internen Num-mern. Charlie meldete sich. »Wie geht’s euch denn, Mädchen?« fragte Preacher.
Ihre Stimme war voll freudiger Aufregung. »Prima! Wir haben gerade unsere Kostüme angezogen. Jetzt gehen wir hinunter zum Schminken.«
»Gut«, sagte er. »Seid ihr auch alle nüchtern?«
»Natürlich! Wir gehen kein Risiko ein.«
»Na, fein. Bis gleich dann. Nach der Show setzen wir uns aber gemütlich zusammen und ziehen ein paar Joints rein.«
»Das wäre gut.«
»Gott behüte euch!« sagte Preacher und legte auf.
Er drückte die Sprechtaste. »Können Sie Bruder Washington für mich suchen lassen?« Eine Minute später summte das Telefon. Joe war am Apparat.
»Bist du fertig?«
»Ich habe meinen besten Anzug an«, sagte Joe.
»Dann komm rauf«, sagte Preacher. »Das Make-up-Mädchen kommt gleich.«
»Bin schon da«, sagte Joe. »Aber Make-up brauche ich keins. Ich hab schon genug Farbe.«
Eine Dreiviertelstunde später stand Preacher unter der Bühne auf einer hydraulischen Plattform, die ihn wie von Geisterhand hinter die Kanzel hinauftragen würde, wenn sein Auftritt begann. Auf einem kleinen Monitor verfolgte er das Geschehen, während der Gesang des Chors aus dem Kirchenraum drang.
Als erstes wurde eine Totalaufnahme von Churchland gezeigt, aus dem Hubschrauber fotografiert. Die Kamera schwenkte über die Gebäude, konzentrierte sich dann auf den Eingang zur Kirche, wo eine große Menschenmenge sich staute, glitt an den Türmen hinauf und ruhte einen Augenblick auf dem Kreuz.
Dann folgte ein Schnitt ins Innere der Kirche. Während der volltönende Bariton des Ansagers aus den Lautsprechern dröhnte, wurden Bilder aus dem Publikum gezeigt.
»Heute, am zweihundertsten Geburtstag der Vereinigten Staaten, begrüßt Sie die Kirche der amerikanischen Christen aus Churchland in Texas zur großen Eröffnungsfeier des ersten Missionsfestivals.«
Ganz langsam schwenkte die Kamera über die Bühne, wo die Ehrengäste aufgereiht saßen. Bei jedem der prominenten Gesichter hielt die Kamera einen Augenblick inne, damit die Zuschauer rätseln konnten, wer das wohl sei. »Verehrte Gäste, meine Damen und Herren, die Kirche der amerikanischen Christen freut sich, Ihnen jetzt ihren Oberhirten.«
Der winzige Kopfhörer in Preachers Ohr knackte, der Aufzug setzte sich in Bewegung. Preacher hörte die Stimme Jim Wodens: »Festhalten, Reverend! Sie sind auf dem Weg in den Himmel.«
Preacher lächelte noch über diese doppeldeutige Bemerkung, als der Aufzug auch schon das Niveau der Bühne erreichte und die Stimme des Ansagers alles andere verdrängte.
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