Der Seelenfänger
Eröffnung von Churchland, sahen insgesamt 20,8 Millionen Amerikaner regelmäßig religiöse Programme im Fernsehen. 1976, als wir hier anfingen, waren es 22,8 Millionen. So blieb es zwei Jahre, dann fielen die Zuschauerzahlen auf 21,4 Millionen im Jahre 1979 und 20,5 Millionen im Jahr 1980. Das ¡st, wohlgemerkt, die Gesamtzahl. Alle fünfundsechzig Fernsehkirchen zusammen, von denen Falwells nur eine ist, haben gegenwärtig nicht mehr als zwanzig Millionen Zuschauer. Vielleicht sollte ich auch noch erwähnen, daß der Anteil der über Fünfzigjährigen und der Frauen unter den Zuschauern überproportional hoch ist.«
Preacher klappte die Mappe zusammen und legte sie auf den Tisch. »Im Lichte dieser Untersuchungen finde ich es ganz respektabel, daß wir die Ergebnisse unserer Kollekten bisher immer noch auf dem gleichen Niveau halten konnten. Außerdem haben wir einen unschätzbaren Vorteil gegenüber den anderen. Wir haben keinerlei Schulden. Wir zahlen unsere Rechnungen pünktlich und erwirtschaften immer noch Überschüsse. Wir müssen dem Herrn dafür danken.«
»Amen«, sagte Jake Randle. »Du meinst also, wir brauchten bloß weiterzumachen wie bisher?«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte Preacher.
»Nein? Was denn sonst?«
»Ich bin der Ansicht, daß Schuldverschreibungen, Aktien und Sparbriefe unserem Herrn und Erlöser nichts nutzen. Ich finde, daß das Geld benutzt werden muß, um unsere Kirche, Gottes Kirche, den Menschen noch näherzubringen.« Preacher unterbrach sich, um Atem zu holen. Keiner sagte etwas, selbst der alte Randle schwieg fasziniert.
»Als ich noch mit dem Zelt unterwegs war, haben wir immer nur solche Städte besucht, wo die örtlichen Kirchen uns unterstützten. Nur gemeinsam gingen wir in den Kampf um die Seelen. Das Kollektengeld wurde geteilt. Die örtlichen Kirchen behielten die Hälfte und konnten diesen Teil zugunsten ihrer Gemeindemitglieder verwenden.« Er hob einen Finger.
»Bei der Fernsehgemeinde wird anders gerechnet. Wir messen unseren Erfolg nicht mehr an der Zahl der geretteten Seelen, sondern zählen nur noch die Dollars. Das ist natürlich viel einfacher. Das macht der Computer. Aber wer von uns weiß, was mit den Seelen geschieht? Wer verfolgt ihre Wege? Wer kontrolliert, ob die einmal gewonnenen Seelen auf Dauer beim Herrn bleiben? Die Fernsehkirche wohl kaum. Sie hat gar nicht die Möglichkeit dazu. Aber es gibt eine Institution, die das kann. Das sind die örtlichen Kirchen in all den Städten, die von unseren Programmen erreicht werden. Deshalb schlage ich vor, daß wir einen Teil der eingenommenen Gelder an die Gemeinden zurückgeben, die zum Teil so arm sind, daß sie kaum ihre Pfarrer ernähren können. Wir machen diese Gemeinden zu Partnern, die gemeinsam mit uns dafür sorgen, daß die frohe Botschaft des Herrn in die Herzen der Menschen gepflanzt wird.«
»Also ich habe den Eindruck, wir schmeißen da bloß unser Geld weg«, sagte Randle.
»Unser Geld ist das nicht«, entgegnete Preacher. »Das Geld gehört Gott. Es wäre zumindest zum Teil an die örtlichen Kirchen gegangen, wenn wir es nicht genommen hätten.«
»Wenn wir es nicht gekriegt hätten, wäre es in den Kassen von Robertson, Jimmy Swaggart, Ernest Angley oder Paul Crouch gelandet, da bin ich ganz sicher«, sagte Randle.
»Ja, es hätte auch von Bob Shuller, Billy Graham, Jerry Fal-well oder einer der anderen fünfundsechzig Fernsehkirchen kassiert werden können«, erwiderte Preacher. »Aber das Geld ist nicht dort gelandet, sondern auf unseren Konten. Und jetzt müssen wir entscheiden, was wir damit anfangen wollen. Sollen wir das Geld verstecken? Soll es ungenutzt im Tresor schmoren? Oder sollen wir tun, was uns der heilige Lukas empfiehlt?«
Er öffnete die Bibel, die vor ihm auf dem Tisch lag, und las:
»Kapitel 16, Vers 13. Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den anderen lieben oder er wird dem einen anhangen und den ändern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.«
Zweites Kapitel
»Daddy war gar nicht glücklich über die Sitzung heute morgen«, sagte Jane. Ihr Bademantel war äußerst freizügig geschnitten, doch Preacher wandte den Blick nicht vom Fernseher ab. Er lag im Bett und studierte fasziniert eine Video-Aufzeichnung der letzten Sendung von Ernest Angley. Der Wunderheiler hatte eben seine Fürbitte für einen Kranken beendet und wandte sich dem Publikum zu.
»Und Sie da draußen am Bildschirm! Haben Sie
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