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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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schweigen.
    „Ich werde … ich werde … im Oktober mit der Truppe ins Ennstal kommen“, fuhr sie unsicher fort. „Würdet Ihr … würdet Ihr die große Güte haben … mir zu sagen, wo ich Euch dort finden kann? … Bitte, Herr!“
    Er verstand.
    „Ihr wollt wissen, wie es dem Knaben geht, und Ihr glaubt, dass ich es bis dahin weiß, nicht wahr?“, fragte er freundlich.
    Sie nickte.
    Er lächelte. „Ihr würdet Euch schwertun, mich zu finden, Mercedes. Aber das ist auch nicht notwendig. Wie es dem Knaben geht, vermag ich heute bereits zu sagen.“
    Die Tänzerin starrte ihn entgeistert an.
    „Ihr … Ihr wisst es? … Ihr habt es also die ganze Zeit über gewusst! … Hoher Herr, wie soll … wie soll ich das alles verstehen? Treibt Ihr Scherz mit mir?“ Sie war völlig verstört. Fast meinte Wolf, eine Spur Empörung aus ihrer Stimme herauszuhören.
    „Nein, Mercedes. Ich treibe keinen Scherz mit Euch“, antwortete er bestimmt. „Ich kann Euch nur nicht die umfassende Auskunft geben, nach der Ihr verlangt. Ich weiß, dass Euch unser Gespräch ein Rätsel sein muss. Doch ich versichere Euch: Aus dem Knaben ist ein prächtiger Bursche mit einem hellen Kopf geworden, und es geht ihm gut.“
    „Es geht ihm gut?“, flüsterte die Frau. „Es geht ihm also wirklich gut? – Oh, Herr, wenn Ihr wüsstet, wie glücklich mich diese Nachricht macht!“, rief sie auf einmal befreit aus, und einem plötzlichen Impuls folgend, ergriff sie seine Hand und küsste sie.
    Wolf war peinlich berührt und entzog sie ihr rasch wieder.
    „Ich denke, es ist nun wirklich an der Zeit, dass Ihr ins Lager zurückkehrt, Mercedes“, erinnerte er sie. „Rufus wird sicher schon ungeduldig sein. Und noch etwas: Ich möchte, dass Ihr über den Inhalt unserer Unterhaltung absolutes Stillschweigen bewahrt. Wenn man Euch im Lager fragt, warum ich Euch zu sprechen wünschte, sagt einfach, ich sei ein Beauftragter des Landrichters im Ennstal und glaubte, in Euch eine Person zu erkennen, die gesucht wird, hätte meinen Irrtum aber bemerkt. – Habt Ihr mich verstanden, Mercedes: Zu keiner Menschenseele ein Wort!“
    Sie nickte. „Ja, Herr, ich habe verstanden. Kein Wort. Zu niemandem. Ich verspreche es.“
    „Dann also, lebt wohl, Mercedes.“
    „Lebt wohl, hoher Herr.“
    Einige wenige Schritte brachten sie über den Steg hinüber auf die andere Seite des Baches. Einmal noch wandte sie sich um und hob grüßend den Arm.
    Dann ging sie in Richtung des Lagers davon.

17
    Die Sonne stand im Begriff, sich glutrot über dem Ennstal zu verabschieden.
    Arnim von Hallstatt ritt gemächlich in Richtung Sankt Gallen und hatte gerade eine Biegung passiert, als er ein gutes Stück vor sich den Bauern Moritz Prechtel die Straße entlangziehen sah. Einen mageren Klepper am Halfter führend, der einen zweirädrigen Karren zog, näherte er sich der Abzeigung, die zu seinem Hof führte. Er hatte beim Steckelyn einen großen Topf Honig gegen ein Fass Most getauscht, das er nun heimwärts beförderte.
    Prechtel war guter Dinge, wozu er auch allen Grund hatte, denn der Tag hatte bereits einen erfreulichen Anfang genommen, obwohl es zunächst nicht danach ausgesehen hatte. In aller Früh, noch während er seine Hafergrütze löffelte, war sein Sohn Matthias mit weinerlicher Miene in die Hütte gerannt gekommen und hatte seinen Vater aufgeregt davon in Kenntnis gesetzt, dass Wollie, sein kleines Lamm, in eine Erdspalte droben im Fuchswald gestürzt sei. Es sei eingeklemmt und blöke fürchterlich vor Angst. Woraufhin Prechtel mit seinem Sohn unverzüglich zum Ort des Geschehens geeilt war, um das Tier zu befreien. Kaum dass er das Lamm herausgezogen hatte, machte er eine erstaunliche Entdeckung. In der schmalen Erdspalte lagen ein Paar aus bestem Leder gefertigte Stiefel. Irgendjemand hatte sie aus unerfindlichen Gründen dorthin befördert und mit Laub und Reisig zugedeckt. Moritz Prechtel barg den Fund und schlüpfte in die Stiefel. Sie passten. Zwar war in den rechten eine stark gewölbte Einlage fest eingearbeitet worden – der ursprüngliche Träger musste einen gewaltigen Hohlfuß sein Eigen nennen –, doch diese ließ sich sicherlich mit einigem Geschick wieder entfernen. Moritz freute sich. Sein Lebtag lang hatte er noch nie solch hervorragend verarbeitetes Schuhwerk besessen. Und so behielt er die Stiefel gleich an, obwohl ihn die Einlage ein wenig hinken ließ. Heute Abend, nach getaner Arbeit, würde er sie dann in aller Ruhe vorsichtig

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