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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler
Autoren: Peter Orontes
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hatte sie schon der gestrige Tag ordentlich Kraft gekostet.
    Bereits am Nachmittag waren sie im Tal der Enns angelangt und dann, nach einer kurzen Ruhepause, im Schutz der Nacht bis Pürgschachen weitergezogen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie noch zu fünft gewesen; da hatte sich noch der Einarmige in ihrer Begleitung befunden. Dann, heute, in aller Frühe, lange bevor es zu tagen anfing, hatten sie dem Krüppel die Pferde anvertraut und ihm Weisung gegeben, sich mit den Tieren in einer geräumigen Waldhöhle versteckt zu halten; erst im Morgengrauen des übernächsten Tages sollte er an dem vereinbarten Treffpunkt bei der großen Eiche am Fluss wieder zu ihnen stoßen. Sie selbst hatten bei Frauenberg die Straße nach Admont verlassen und sich seitlich in den Wald geschlagen. Dem Straßenverlauf folgend, waren sie mühsam durch die Wildnis vorgedrungen und erst spätnachmittags am Fuß des Waldberges angelangt, dessen höchsten Punkt sie noch vor Einsetzen der Dunkelheit zu erreichen hofften.
    Der Luchs hatte diese Route ganz bewusst gewählt, obwohl sie schwierig und vor allem zeitraubend war. Es wäre weitaus bequemer gewesen, den Vorstoß auf die in der Senke gelegene Hütte des Köhlers direkt von der Straße her zu unternehmen. Doch die führte über Zeiring, Trieben und Admont über den Buchauer Sattel nach Altenmarkt und war stark befahren, seitdem ein Verbot Herzog Albrechts den Steyrer Kaufleuten untersagte, die von Venedig kommenden Waren über den Pyhrn zu führen und ihnen damit die Strecke über Admont und Sankt Gallen nach Altenmarkt regelrecht aufzwang. Im Gegensatz dazu wies die mühselige Variante abseits der Straße über den Berg einen nicht zu unterschätzenden Vorteil auf: Die Gefahr, irgendwelchen Personen zu begegnen, war so gut wie ausgeschlossen.
    Überhaupt hatten sie, seit sie im Ennstal angekommen waren, dank der Ortskenntnisse des Luchses sämtliche Hauptverkehrswege meiden können. Er kannte das Gelände wie seine Gürteltasche. Was nicht weiter verwunderte, denn hier hatte er fast sein ganzes Leben verbracht, bevor er vor Jahren wegen einer unangenehmen Geschichte aus der Gegend hatte verschwinden müssen.
    „Na endlich, verdammt noch mal!“
    Erschöpft ließ sich der Mann, der Randolph hieß, auf einem der Felsbrocken nieder, die zuhauf über die kahle, moosbewachsene Kuppe verstreut waren. Der Luchs tat es ihm gleich, während die beiden anderen sich einfach auf den weich federnden Boden fallen ließen und alle viere von sich streckten. Die Männer keuchten vor Anstrengung, und obwohl es kühl war, troff Schweiß von ihren Gesichtern. Aber das war ihnen gleichgültig. Sie hatten den Aufstieg geschafft; das allein zählte. Es war aber auch an der Zeit. Inzwischen hatte die Dämmerung den Tag zur Gänze gefressen; am nachtdunklen Himmel spielten Wolken mit dem Licht des Mondes Katz und Maus.
    „Wie lange noch bis zum Ziel, sagtest du?“
    Einer der beiden, die auf der Erde lagen, hatte die Frage gestellt.
    Sein Blick richtete sich auf den Luchs, der neben ihm auf dem Stein
    hockte.
    Der zuckte mit den Schultern.
    „Vielleicht zwei Stunden; allerhöchstens drei“, brummte er.
    „Nicht mehr lange, dann schüttet es wie aus Kübeln“, prophezeite der andere der beiden, die sich auf den Moosteppich hatten gleiten lassen, mürrisch. Die Hände unter dem Kopf verschränkt, starrte er in den wolkenverhangenen Nachthimmel.
    „Das kann uns scheißegal sein. Im Wald dürften wir vorerst trocken bleiben. Hauptsache, wir schaffen alles, noch bevor der Morgen graut“, entgegnete Randolph und erhob sich.
    Der Luchs sprang auf. „Du sagst es. Also, sehen wir zu, dass wir weiterkommen! Faulenzen können wir morgen früh wieder!“
    Entgegen ihrer Erwartung gestaltete sich der Abstieg über den bewaldeten Nordhang allerdings nicht weniger mühevoll als der Aufstieg über die Südseite. Der Pfad war schwierig und steil. Darüber hinaus erschwerte Dunkelheit ihr Vorwärtskommen. Nachdem sich der Mond auch noch hinter einer Wolkenbank versteckt hatte, zwang undurchdringliche Schwärze die Männer, die mitgeführten Fackeln zu entzünden.
    Wieder fluchten sie.
    Mittlerweile hatte der Wind weitere Wolken herangetrieben, und heftiger Regen setzte ein. Doch den nahmen die Männer vorerst nur als dumpfes Rauschen wahr. Das dichte Dach aus Zweigen und Blättern über ihnen dämpfte den prasselnden Lärm und hielt sie verhältnismäßig trocken. Dann aber hatten sie die Talsohle erreicht
    – der
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