Der Seelenhändler
Stimme Otto Metschachers hatte plötzlich einen scheppernden Klang angenommen.
Wolf trat hart an ihn heran.
„Was mit mir ist, fragt Ihr? Ich will es Euch sagen. Erinnert Ihr Euch an Rutgerd Baro, den Weinhändler? Ihr wisst schon, der, der das viele Geld unter seiner Bettstatt versteckt hielt. Oder an Peter Söller, den Tuchmacher aus Judenburg? Oder an Gero von Weiningen aus Steyr? Ist Euch der Überfall auf die ungarischen Kaufleute noch in Erinnerung, die nach Passau wollten?“ Seine Stimme wurde heiser. Er stand jetzt unmittelbar vor dem Prior, sodass ihre Gesichter sich fast berührten. „Sie haben wieder zugeschlagen. Und wer, glaubt Ihr, ist diesmal das Opfer?“
Metschacher war zusehends blasser geworden. „Hört auf, in Rätseln zu sprechen. Sagt es frei heraus. Was … was gibt es?“
„Arnulf, den Köhler, haben sie sich diesmal vorgenommen. Mitsamt seiner Familie. Außer Bertram sind alle tot“, stieß Wolf in verzweifeltem Grimm hervor.
Der Prior sah ihn ungläubig an.
„Den Köhler? Was sollte es bei ihm zu holen geben?“ Er schüttelte verständnislos den Kopf. „Und überhaupt … woher wisst Ihr …?“, fragte er gedehnt, worauf Wolf ihn in kurzen Zügen über die Einzelheiten dessen, was er in Arnulfs Hütte vorgefunden hatte, in Kenntnis setzte.
Metschacher ließ sich auf einen der Stühle fallen, die den mitten im Raum stehenden Tisch flankierten. Er war tief getroffen. Er wusste um die Freundschaft, die Wolf mit der Familie des Köhlers verband, und um die besondere Beziehung, die sich zwischen ihm und Bertram herausgebildet hatte.
„Und wo ist der Junge jetzt? Was soll mit ihm geschehen?“, fragte er.
Wolf zuckte mit den Achseln. „Gegenwärtig sitzt er auf einer Bank. Da draußen, auf dem Gang“, er deutete mit dem Kopf zur Tür. „Ich werde ihn natürlich zu mir nehmen. Allerdings …“ – er zögerte kurz – „allerdings wäre ich Euch sehr verbunden, wenn er fürs Erste bei Euch unterkommen könnte. Ich möchte dem Jungen ein neues Heim geben. Doch dazu sind Umbauten in meiner Klause nötig.“
Metschacher nickte. „Keine Frage. Natürlich kann der Junge so lange hier im Kloster wohnen.“
Sie schwiegen.
Wolf trat an eines der Fenster und blickte hinaus. Die Sonne, mittlerweile tief im Westen stehend, spiegelte sich in den Butzenglasscheiben. Feiner Dunst umwob die gezackten Gipfel der Haller Mauern.
Er wandte sich um. „Was werdet Ihr jetzt tun, Otto? Die Tat geschah auf Eurem Grund und Boden.“
Es war eine rein rhetorische Frage, denn er wusste, was nun geschehen würde. Aber er hatte irgendwie das Gefühl, das zwischen ihnen entstandene Schweigen brechen zu müssen.
Der Prior seufzte. „Ihr wisst, was zu geschehen hat, Wolf. Der Fall muss ordentlich abgewickelt und untersucht werden. Dafür ist der Landrichter auf Wolkenstein zuständig, Markwart von Taupekh. Doch er befindet sich gegenwärtig zusammen mit dem derzeitigen Stiftsrichter in Graz und hat die Amtsgeschäfte vorübergehend dem Stadtrichter in Rottenmann übertragen. Also werde ich als Vertreter Abt Wilhelms einen Boten nach Rottenmann senden und bei der weltlichen Obrigkeit um Amtshilfe bitten.“
Wolf lachte verächtlich. „Obrigkeit! Amtshilfe! Seit vier Jahren mordet und raubt die Bande. Das Pack taucht auf, schlägt zu und verschwindet ins nichts. Und was geschieht? Die Obrigkeit tritt auf den Plan und versucht, Spuren zu sichern. Sie findet aber keine und kehrt achselzuckend in die Amtsstube zurück. Ob Landrichter oder Stadtrichter, bleibt sich dabei gleich. Glaubt Ihr etwa, dass es diesmal anders sein wird?“
Wolf hatte sich in Rage geredet. Er war an den Tisch herangetreten und schlug mit der Faust ärgerlich auf die dunkle Eichenplatte.
Sofort erkannte er, dass er zu weit gegangen war.
„Verzeiht, Otto“, entschuldigte er sich. „Ihr könnt, weiß Gott, nichts dafür. Doch wenn es so weitergeht, wird man der Bande nie das Handwerk legen können – und das wisst Ihr nur zu gut!“
Der Prior war sichtbar zusammengezuckt. In der impulsiven Geste Wolfs lag unbestreitbar eine gewisse Respektlosigkeit. Doch er ignorierte sie.
„Ich sehe es Euch nach, Wolf“, erwiderte er beherrscht. „Ihr seid verständlicherweise sehr erregt. Und Ihr habt Recht. Wenn es so weitergeht, wird man der Bande nie das Handwerk legen. Sie wird weiter morden und rauben und den Weg über die Buchau zur Eisenstraße noch mehr in Verruf bringen, was natürlich dem Stift und seinen
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