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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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Geschäftsbeziehungen außerordentlich schadet.“
    Metschacher erhob sich und trat an das geöffnete Fenster. Nachdenklich wanderte sein Blick am mächtigen Felsmassiv der Haller Mauern empor. „Es sei denn“, fuhr er bedächtig fort, „jemand anders nimmt sich der Sache an. Jemand, der Mut und einen scharfen Verstand besitzt. Jemand, der es versteht, Spuren zu lesen und Zusammenhänge zu erkennen. Wie zum Beispiel – Ihr!“ Beim letzten Wort hatte er sich ostentativ umgedreht.
    Wolf sah ihn verblüfft an. „Das meint Ihr doch wohl nicht im Ernst.“
    „Da irrt Ihr Euch, es ist mein voller Ernst. Ich denke, dass Mark-wart von Taupekh nichts dagegen hätte, wenn ihm ein fähiger Mann diese Aufgabe abnehmen würde. – Also, stimmt zu, Wolf. Nehmt Euch der Sache an. Im offiziellen Auftrag des Stiftes, gewissermaßen als sein Sonderbeauftragter. Und denkt daran: Ihr tut es nicht nur für das Stift. Sondern auch – für Bertram!“, beschwor Metschacher seinen Besucher.
    Der Prior hatte seine Worte sehr sorgfältig gewählt.
    Die beabsichtigte Wirkung blieb nicht aus.
    Betroffen sah Wolf ihn an. Metschacher hatte unbestreitbar Recht. Bertram würde in seinem künftigen Leben besser mit dem schrecklichen Geschehen zurechtkommen, wenn er wusste, dass die Tat gesühnt worden war.
    „Nun, was sagt Ihr?“
    Die Frage des Priors machte den Grübeleien Wolfs ein Ende.
    „Vielleicht habt Ihr Recht, Otto. Ich will’s mir überlegen. Lasst uns morgen früh noch einmal darüber reden. Aber jetzt bitte ich Euch um ein Nachtlager für den Jungen und mich. Wir sind beide erschöpft.“
    Der Prior nickte und ging zur Tür. „Ihr wisst, dass Ihr in Admont jederzeit willkommen seid. Wegen des Lagers wendet Euch an Bruder Theobald.“
    Als er die Tür öffnete, sahen sie Bertram auf der Bank kauern. Er war vor Erschöpfung eingeschlafen. In einem Anflug von Mitleid legte der Prior den Zeigefinger an die Lippen.
    „Lasst ihn vorerst schlafen“, raunte er Wolf zu. „Der Pförtner wird ihn holen, wenn er Euer Lager bereitet hat. Wenn Ihr unten seid, schickt ihn mir noch einmal hoch.“

3
    Die Nacht zum Samstag schien nicht enden zu wollen.
    Von seinem Lager aus beobachtete Wolf die helle Scheibe des Mondes. Karges, weiches Licht drang durch die Fensteröffnung und erfüllte seine Kammer mit jenem seltsam milden Schimmer, den er schon als Kind gemocht hatte, weil er ihn stets zutiefst beruhigte.
    In dieser Nacht jedoch hatte er das Empfinden, als habe sich der milchige Schimmer des Mondes in das skelettfarbene Weiß des Todes verwandelt. Ein grässliches Weiß, das ihn nicht schlafen ließ. Erst gegen Morgen fiel er in einen unruhigen Dämmerschlaf, aus den ihn das Läuten zur Prim recht unsanft herausriss.
    Langsam erhob er sich und blieb erst einmal auf der Bettkante sitzen. Er fühlte sich wie gerädert. Mit Schaudern dachte er an die vergangene, von bleierner Schwere erfüllte Nacht zurück: an die unsäglich langsam dahinziehende Zeit, den dunklen, jenseitsgerichteten Gesang der Mönche – und an das Schluchzen und Weinen des Jungen, das aus der Kammer neben ihm an sein Ohr gedrungen war.
    Wolf stand auf und reckte die Glieder. Er beschloss, sich anzukleiden und in den Hof hinunterzugehen. Am Brunnen würde er sich frisch machen und versuchen, die Reste der albtraumgeschwängerten Nacht zu verscheuchen, die ihm immer noch ins Gesicht geschrieben stand.
    Das kalte Wasser war in der Tat erfrischend. Es kühlte die heiße Stirn. Aber nicht die Gedanken, die hinter ihr glühten. Geschweige denn, dass es den Schmerz zu löschen vermochte, der in seinem Innern brannte. Nein, dazu bedurfte es des Wassers der Vergeltung. Aus dem Brunnen zu schöpfen, der dieses Wasser enthielt, würde nun seine vorrangige Aufgabe sein. Er wusste, dass er dazu einen klaren Kopf benötigte – jetzt, da er sich dazu entschlossen hatte, dem Ansinnen des Priors stattzugeben und die Suche nach den Verbrechern aufzunehmen, die seinem Leben und vor allem dem des Jungen eine so furchtbare Wende gegeben hatten. Er wusste auch, dass er nicht eher ruhen würde, bis er sie gefunden hätte.
    Gleich nachdem er zusammen mit Bertram gefrühstückt hatte, begab er sich ins Abtshaus. Metschacher hatte ihm ausrichten lassen, dass er ihn möglichst bald zu sprechen wünsche.
    Er fand den Prior am Tisch sitzend vor.
    „Nun, Wolf, wie habt Ihr Euch entschieden?“, empfing ihn dieser, indem er ohne Umschweife auf das gestrige Gespräch zurückkam.
    Wolf trat an den

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