Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
Vom Netzwerk:
Hohen Lied der Liebe Salomos?“
    Sie errötete, als habe er sie bei etwas Verbotenem ertappt. Für einen Moment erstarb ihr Lächeln – um jedoch gleich darauf verschmitzt, aber auch leicht verlegen wiederzukehren.
    „Ja. Ich … ich …“ Sie stockte.
    „Ja? … Was … was wollt Ihr denn sagen?“, fragte er leise, wobei seine Stimme zu beben begann. Er machte sich gar nicht erst die Mühe, es zu unterdrücken.
    Unvermittelt trat sie ganz nah an ihn heran.
    „Wolf“, flüsterte sie. „Muss denn überhaupt noch etwas gesagt werden?“ Das verschmitzte Lächeln war verschwunden. Stattdessen sah sie mit leicht geöffneten Lippen und einem Ausdruck innigen Verlangens zu ihm auf.
    Es war der Moment, in dem der Damm brach.
    Am Anfang wagte er nur zögernd, ihrem verlangenden Blick nachzugeben. Er beugte sich zu ihr hinunter, legte zärtlich die Arme um sie und zog sie sanft an sich. Eine ganze Weile lang standen sie nur so da – in stummem Glück miteinander verschlungen wie die ineinandergewobenen Blattgirlanden der Initiale, die das Lied der Lieder schmückte, dessen Zeilen nach wie vor in der Sonne glänzten .
    Dann aber begannen sich ihre Gesichter einander weiter zu nähern, bis sie sich schließlich zart und behutsam berührten. Endlich fanden sich auch ihre Münder; und während ihre Lippen und Zungen sich zu jenem wunderbar weichen, warmen und von süßer Feuchte erfüllten Tasten, Fühlen, Suchen und Finden vereinigten, schmiegten sich ihre Körper aneinander, liebkosten sich und erkundeten immer kühner werdend und wie im Fieber den Leib des anderen – um schließlich in heißem Begehren auf die mit Kissen gepolsterte Bank zu sinken, die an einer Seite der Nische stand. Ihre so lange zurückgehaltene Leidenschaft verwandelte sich in wenigen Augenblicken in eine Lust, die alle Bedenken und Zurückhaltung vergessen ließ, bis sie schließlich explodierte und danach langsam verlöschte …
    Was blieb, war Wärme.
    Die Wärme eines Augenblicks, der zur Ewigkeit wird.
    Jene unendliche, zärtliche, wundervolle Wärme – geboren aus Liebe, Licht und Leben.
    Irgendwann – der heftige Sturm der Leidenschaft hatte sich längst in eine wohltuende Brise nie gekannter Zärtlichkeit verwandelt – löste sich Katharina sanft aus Wolfs Umarmung und erhob sich. Sie begann, ihre Kleidung, die völlig durcheinandergeraten war, zurechtzuzupfen und ihr Haar wieder hochzustecken.
    „Weißt du, was ich mich frage?“, flüsterte sie lächelnd; das Du schien wie selbstverständlich über ihre Lippen zu fließen.
    Wolf zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist es ja das Gleiche, was ich mich auch frage“, entgegnete er und erhob sich ebenso, um sein Wams zu ordnen.
    „Nämlich?“, hakte sie nach.
    „Ich frage mich, warum wir so lange damit gewartet haben?“
    „Wir? Sagtest du Wir?“, erwiderte sie, wobei sie die Brauen hochzog und erneut schelmisch die Lippen schürzte.
    Er begriff. „Ja, du hast Recht. Ich hätte mich dir früher offenbaren sollen“, gab er verlegen lächelnd zu, „aber das spielt ja nun glücklicherweise keine Rolle mehr, nicht wahr?“ Abermals zog er sie an sich.
    Gerade als ihre Lippen wieder zueinanderfinden wollten, hörten sie knarrend die Tür zur Bibliothek gehen.
    Erschrocken fuhren sie auseinander. Während Katharina einen konzentriert unschuldigen Blick aufsetzte und sich sofort wieder dem Folianten auf dem Pult zu widmen begann – nicht ohne rasch die verräterischen Seiten des Canticum canticorum umgeblättert zu haben –, griff Wolf sich geistesgegenwärtig einen Band aus dem Regal, das sich an einer Seite der Nische befand.
    „Ist es dieses Werk, das Ihr benötigt?“, fragte er scheinheilig und vor allem laut genug, sodass der Besucher, der offensichtlich in die Bibliothek getreten war, es hören musste.
    „In der Tat, danach habe ich gesucht. Habt vielen Dank“, antwortete die Klingfurtherin, ebenso scheinheilig und nicht weniger laut.
    Schritte näherten sich, und gleich darauf trat ein Mönch um die Ecke in die Nische. Es war Theobald, der Pförtner.
    „Ah, da seid Ihr ja, Herr von der Klause – gnädiges Fräulein“ – Theobald machte, süffisant grinsend, eine tiefe Verbeugung in Richtung der Klingfurtherin, „der ehrwürdige Prior schickt mich. Ihr mögt doch bitte kommen. Man bereitet sich auf den Aufbruch nach Steyr vor.“
    „Ja, ich weiß, es ist höchste Zeit“, antwortete Wolf mit der unschuldigsten Miene der Welt, obwohl er den Mönch im Innern

Weitere Kostenlose Bücher