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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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verfluchte. „Kommt, Katharina, ich fürchte, Eure Studien müsst Ihr bei einer anderen Gelegenheit fortsetzen“, fuhr er fort.
    „Ja, so wird es wohl sein. Also dann: Gehen wir!“, antwortete die Klingfurtherin, setzte gekonnt eine Miene des Bedauerns auf und durchquerte mit Wolf den riesigen Saal.
    An der Tür angelangt, blieb Wolf noch einmal kurz stehen und sah sich um. Theobald war ihnen nicht gefolgt, sondern schien angestrengt eines der vielen Regale zu inspizieren.
    „Ihr müsst doch nicht etwa arbeiten, Bruder Pförtner?“, fragte Wolf ironisch.
    „Aber nein doch, Herr von der Klause. Ich suche lediglich nach einem Rat“, bemerkte der Mönch grinsend.
    Einen kurzen Augenblick noch wartete er, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war. Dann betrat er mit vor Erregung gerötetem Gesicht die Nische, in der er die beiden vorgefunden hatte. Lüstern blickte er in die Runde. Die Bank stach ihm ins Auge. Und die zerwühlten Kissen darauf. „Ah“, murmelte er grinsend, „hier also habt ihr eure Studien betrieben.“ Er trat an das Pult und betrachtete den Folianten, den Katharina, bevor sie gegangen war, noch geschlossen hatte. Neugierig schlug er ihn auf. Plötzlich stutzte er. Wie von selbst hatte sich das Buch an einer bestimmten Stelle geöffnet. Nur ein Gegenstand, der zwischen die Blätter geraten war, konnte die Ursache dafür sein. Tatsächlich. Eine Nadel. Eine fein ziselierte Haarnadel aus Silber. Sie befand sich ausgerechnet zwischen zwei Blättern des Canticum canticorum . Das edle Fräulein musste sie in der Eile vergessen haben. Wieder grinste Theobald, sein Atem ging schneller. Kein Zweifel – sie hatte in jenem Buch gelesen, in dem Salomo die unsterblichen Wonnen der Liebe pries. Wonnen, die ihm und all den anderen Brüdern leider verwehrt waren. Zumindest offiziell. Doch hin und wieder, wenn die Lust gar zu sehr in den Len-den pochte, verschaffte man sich eben inoffiziell die nötige Erleichterung. Theobald dachte an die letzten Male, da er selbst in dieser Lage gewesen war. Was zwangsläufig dazu führte, dass er auch an Marie, die dralle Magd des Bäckers Arnold, dachte, die schon einige Male mit innigem Verständnis und großer Hingabe die verdienstvolle Aufgabe wahrgenommen hatte, ihn von den Qualen der Fleischeslust zu erlösen.
    Theobalds Blick fiel auf die in der Sonne glänzenden Zeilen des Liedes der Lieder. „Dein Nabel ist wie ein rundes Becken, dem es nie an Würzwein gebricht; dein Leib wie ein Haufe von Weizen, umgeben mit Lilien. Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Zwillinge einer Gazelle“, las er. Plötzlich merkte er, wie jene eigenartige Hitze in seinem Innern wieder zu wallen begann. Er sah auf die zerwühlten Kissen hinunter, die auf der Bank lagen. Der Mund wurde ihm trocken, sein Atem ging heftiger. Rasch nahm er die verwaiste Haarnadel an sich und schlug den Folianten wieder zu.
    Es war an der Zeit, dass Marie sich ein weiteres Mal um ihn kümmerte.
    Am besten gleich morgen, wenn sie, wie jeden Montag, die Klosterküche mit frischem Brot belieferte.
    Für die silberne Haarnadel würde sie ihm bestimmt einige besondere Vergünstigungen gewähren.
    Die Vorfreude darauf legte ein verklärtes Lächeln über Theobalds feiste Züge.
    Hastig verließ er die Bibliothek.
    Im Hof herrschte Aufbruchsstimmung.
    Außer Prior Metschacher war die gesamte Reisegesellschaft versammelt: Pfarrer Niklas Schinopl, Friedrich von Saurau, Wolf von der Klause und Katharina von Klingfurth – alle saßen sie bereits im Sattel. Ebenso die neun Soldaten des Saurauers, die als Begleitschutz mitreiten sollten. Dabei handelte es sich um jene vier, welche die nächtliche Expedition mitgemacht hatten, und um fünf Weitere, die, vor etwa zwei Stunden aus Gallenstein kommend, im Stift eingetroffen waren. Wolf hatte den vier in der vergangenen Nacht Dabeigewesenen noch einmal eingebläut, niemandem gegenüber auch nur ein Sterbenswörtchen über die Geschehnisse verlauten zu lassen; selbst den neu hinzugekommenen Kameraden gegenüber sollten sie striktes Stillschweigen bewahren.
    Allerdings war in ihm sehr schnell der Entschluss gereift, Katharina von dem Ergebnis der Exkursion zu unterrichten. Jetzt, da ihre Beziehung noch enger geworden war, durfte es kein Geheimnis mehr zwischen ihnen geben. Und so hatte er sie unmittelbar nach dem Verlassen der Bibliothek in kurzen Zügen über das, was geschehen war, informiert.
    Natürlich war Katharina, wie nicht anders zu erwarten, seinem Bericht

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