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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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der Reihe nach erzählen. Es war am Tag darauf, als sich ein unbestimmtes Gefühl in mir verdichtete. Ich wusste, dass es mit der Besprechung vom Vortag zusammenhängen musste. Ich glaubte, irgendeine Ungereimtheit im Verlaufe jenes Gesprächs wahrgenommen zu haben, konnte mich aber nicht erinnern, was es genau war. Am Nachmittag ritt ich mit Katharina … äh … ich meine, mit Fräulein von Klingfurth zur Buchau hinüber. Ich wollte mir den Ort des Überfalls noch einmal ansehen. Dort fanden wir den toten Fuhrknecht, diesen Bremser. Eigenartigerweise verstärkte der Leichenfund die Irritation in mir. Warum, wusste ich nicht …“
    „Mit anderen Worten: Die Leiche erinnerte Euch erneut an diese … Ungereimtheit? Wusstet Ihr denn, dass es mit irgendeiner Äußerung Schmelzers zusammenhing?“
    „Nein, eben nicht. Ich wusste lediglich, dass irgendjemand etwas gesagt hatte, was … nun ja, was eben nicht zu passen schien.“
    „Verzeiht, aber das verstehe ich nicht ganz.“
    „Lasst es mich so erklären: Habt Ihr schon einmal geglaubt, etwas zu sehen, obwohl Ihr es nicht sehen konntet? Ihr habt das Gefühl, dass da etwas ist, das Ihr meint, fassen zu können – allein, Ihr wisst nicht was. Ihr versucht danach zu greifen – habt aber nichts in den Händen.“
    Der Saurauer nickte. „Ja, das Gefühl kenne ich. Ein fatales Gefühl – ich glaube, langsam verstehe ich, was Ihr meint“, murmelte er. „Wann, konkret, wusstest Ihr, was Sache war?“
    „Ich sagte es schon – verhältnismäßig spät. Erst als wir diese Besprechung im Hause Schmelzer hatten.“
    „Erst anlässlich unseres Besuchs in Steyr? Das war ja gerade erst einmal vor vier Tagen!“
    „Ihr sagt es. Erinnert Ihr Euch, wie Giacomo Polo Euch bat, für das Sichern des Lösegeldtransportes Soldaten zur Verfügung zu stellen?“
    Der Graf legte die Stirn in Falten. „Ja. Natürlich. Bei der Gelegenheit fragte er den Schmelzer, wie viele Tote der Überfall gekostet hatte.“
    „Seht Ihr. Und erinnert Ihr Euch auch an die Antwort, die der Schmelzer gab?“
    „Nun, er verwies auf meine zehn toten Waffenknechte und auf den toten Fuhrmann, den Ihr mit der Klingfurtherin zusammen entdeckt habt.“
    „Richtig. Und genau diese Antwort war es, die meinem Erinnerungsvermögen auf die Sprünge half. Als der Schmelzer die Frage des Venezianers beantwortete und den Fuhrmann erwähnte, riss bei mir der Vorhang. Ich erinnerte mich plötzlich wieder an Einzelheiten des Gesprächs, das wir vor vier Wochen bei Euch auf der Burg hatten – und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen!“
    Wolf machte eine Pause.
    „Macht es nicht so spannend. Was war es denn nun?“
    „Ich komme noch einmal auf den Montag zurück, an dem die Steyrer nach Sankt Gallen kamen. Ihr wisst, dass, was die Anzahl der entführten Fuhrknechte angeht, wir zu diesem Zeitpunkt noch von dreien ausgehen mussten, das heißt, die Venezianer dazugerechnet, von insgesamt sechs Überlebenden. Das sagten wir auch den Steyrern, als wir sie über die Einzelheiten des Überfalls in Kenntnis setzten. Erst am Nachmittag des darauffolgenden Tages fanden Fräulein von Klingfurth und ich die Leiche des Bremsers, und erst ab diesem Zeitpunkt wussten wir, dass offenbar nur zwei Fuhrknechte überlebt hatten und zusammen mit den Venezianern entführt worden waren. Und nun gebt Acht, jetzt kommt es: Vielleicht erinnert Ihr Euch daran, wie der Schmelzer und auch die anderen im Laufe des Gesprächs immer mal wieder auf die entführten Personen Bezug nahmen. Was den Schmelzer angeht, unterlief ihm dabei ein gravierender Fehler. Wann immer er nämlich auf die Anzahl der entführten Personen zu sprechen kam, erwähnte er zwei Fuhrleute, obwohl er aufgrund dessen, was er von uns erfahren hatte, stets von dreien hätte sprechen müssen. Einmal sprach er von insgesamt fünf Überlebenden: sprich Entführten, anstatt von sechs. Und das, wie gesagt, am Tag bevor wir die Leiche des dritten Fuhrmanns fanden. Und nun meine Frage: Woher konnte er bereits zu diesem Zeitpunkt wissen, dass es nur noch zwei Fuhrleute gab beziehungsweise insgesamt nur fünf Überlebende , die Venezianer mitgerechnet? Die Antwort lautet: Weil er genau wusste, dass der dritte der Fuhrmänner ermordet worden war. Und diese Tatsache war so selbstverständlich in seinem Bewusstsein verankert, dass er gar nicht merkte, dass er sich verriet, indem er nur von zwei Fuhrleuten sprach.“
    Der Saurauer starrte ihn mit offenem Mund an. „Ich verstehe. Es

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