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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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herab, als er damit fertig war, und blickte herausfordernd in die Runde. Die freche Anmaßung, die sich in seiner Miene spiegelte, verschlug den Umstehenden fast den Atem.
    Unwillkürlich ballte Wolf die Rechte zur Faust, doch er beherrschte sich.
    „Zunächst wollen wir vor allem eines von Euch erfahren“, erwiderte er ruhig. „Wer ist Euer Mitverschworener, oder, um die Frage anders zu formulieren: Wer steckt hinter der Maskerade des roten Priors?“
    Jakob von Schmelzer zog die Brauen nach oben. Er wirkte sichtlich überrascht. Das für ihn typische singende Räuspern verließ seine Lippen; dann strich er sich langsam den Bart.
    „Oh“, meinte er hämisch lächelnd. „Mein Mitverschworener, wie Ihr ihn nennt, ist immer noch nicht aufgetaucht. Er konnte also entkommen? Und das auch noch, bevor Ihr seine Identität feststellen konntet? Respekt! Damit gelang ihm, was mir leider nicht vergönnt war.“ Sein Lächeln bekam einen wehmütigen Zug. „Seine Flucht macht Euren Sieg … sagen wir … etwas unvollständig, nicht wahr? Ihr habt das Spiel also nicht gänzlich gewonnen.“ Das wehmütige Lächeln verzog sich abermals zu einer hämischen Grimasse.
    Wolf merkte, wie Wut in ihm hochzusteigen begann. Dennoch klang seine Stimme kühl und beherrscht, als er dem Verbrecher antwortete. „Wie Ihr die Sache seht, interessiert uns nicht. Und was die Identität Eures Komplizen angeht, die wir zugegebenermaßen noch nicht kennen, bin ich sicher, dass Ihr uns sogleich von dieser Unwissenheit befreien und auf sämtliche Fragen antworten werdet.“
    Von Schmelzer bedachte ihn mit einem seltsamen Blick. „Sagte ich Euch nicht soeben, dass ich antworten werde? Ich pflege mich an meine Versprechen zu halten – was immer es auch kosten mag“, entgegnete er.
    Vielleicht war es das leise Vibrieren in der Stimme des Steyrers, vielleicht aber auch der eigenartig flackernde Blick seiner Augen – auf jeden Fall hatte Wolf plötzlich das Gefühl, als ob Tausend Sturmglocken in seinem Inneren zu läuten anfingen.
    Doch noch bevor er durchblickte, was der Kaufmann wohl im Sinn haben mochte, hatte dieser sein Vorhaben bereits so gut wie vollzogen.
    Mit einer unvorhersehbar heftigen Bewegung wirbelte Schmelzer plötzlich herum und stieß Berthold Fendrich mit solcher Urgewalt vor die Brust, dass dieser, völlig überrumpelt, rückwärts taumelte und unmittelbar vor seinen Kameraden zu Boden ging.
    „Das ist meine Antwort! Fahrt zur Hölle! Dort werde ich Euch erwarten!“, schrie er gellend und schnellte, indem er den Überraschungsmoment nutzte, mit weit ausholenden, federnden Sprüngen die wenigen Schritte bis zum Rand des Plateaus. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, sprang er mit weit ausgebreiteten Armen und einem irren, schrillen Lachen in die Tiefe. Sein schauriges Gelächter brach sich an den Felswänden, hallte mehrfach zurück und verebbte schließlich richtungslos irgendwo im Abgrund.
    Blankes Entsetzen. Gelähmtes Schweigen.
    Arnim von Hallstatt war der Erste, der sich wieder fasste und langsam an den Rand des Plateaus trat. Nacheinander begaben sich Wolf, schließlich auch der Saurauer und die drei Venezianer an seine Seite. Stumm blickten sie in den Abgrund, während die in einiger Entfernung in kleinen Gruppen beieinanderstehenden Waffenknechte ihrer Überraschung mit verwirrten Rufen Ausdruck verliehen. Einige von ihnen bekreuzigten sich.
    „Nun hat er sich also selbst gerichtet. Welch ein Abgang!“, bemerkte der Graf leise.
    „Ja, und das Ärgerliche daran ist, dass dieser Teufel sein Wissen mit in die Hölle genommen hat“, ergänzte der Hallstatter trocken und fügte an Wolf gewandt hinzu: „Was machen wir jetzt?“
    Wolf zuckte mit den Schultern. Er antwortete nicht sogleich. Trotz der ungeheuerlichen Szene, die sich soeben vor ihrer aller Augen abgespielt hatte, versuchte er nach außen hin Gelassenheit zu zeigen, während er in seinem Inneren die ohnmächtige, von Frustration gespeiste Wut niederzuringen versuchte.
    „Wir werden später aufbrechen“, entgegnete er schließlich mit belegter Stimme. „Ich will, dass wir das ganze verfluchte Plateau bis in den letzten Winkel durchsuchen. Irgendein Hinweis muss sich, verdammt noch mal, doch finden lassen. Der Prior kann sich nicht einfach in Luft aufgelöst haben.“
    Stunden später, kurz vor Sext, musste sich Wolf eingestehen, dass seine Hoffnung vergebens gewesen war. Bereits in der vergangenen Nacht, gleich nach der erfolgreichen Einnahme des

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