Der Seelenhändler
Geisterhand gefällt und ohne einen einzigen Laut von sich zu geben, sackten die vier Banditen urplötzlich neben den Geiseln zu Boden, wo sie regungslos liegen blieben. Aus dem Schatten der Felsbarriere lösten sich die Silhouetten von vier Männern und traten in den von Lagerfeuern erhellten Bereich. Langsam kamen sie näher. Einer von ihnen hatte zuvor eine der nun am Boden liegenden Fackeln der Schnapphähne aufgehoben, die er jetzt heftig hin und her schwenkte.
„Es ist vorbei. Wir haben sie erledigt!“, rief er triumphierend.
Es war der Hallstatter.
Verblüfft hatten die Gallensteiner Soldaten schweigend die fast unwirklich erscheinende Szene verfolgt. Als sie nun jedoch des Neffen des Grafen ansichtig wurden, wandelte sich ihre Fassungslosigkeit in ein ungläubiges Raunen. Spontaner Beifall brandete auf; verhalten zuerst, so, als ob der Trupp immer noch Mühe habe, die überraschende Wende zur Kenntnis zu nehmen, dann aber schwoll er zu einem befreienden Jubel an, der das gesamte Plateau erfüllte.
Mit riesigen Sätzen sprangen sowohl Wolf als auch der Graf auf den Hallstatter und seine Männer zu.
„Fantastisch, mein Junge, das war einfach fantastisch!“, rief Friedrich begeistert und umarmte seinen Neffen. „Männer, das werde ich euch nicht vergessen“, wandte er sich an die anderen drei, die das Kompliment mit breitem Grinsen zur Kenntnis nahmen.
Auch Wolf trat nahe an den Hallstatter heran. Seine Miene war ernst; noch stand er ganz unter dem Eindruck des Geschehens. Doch dann glitt ein befreiendes Lächeln über seine Züge.
„Wo Euer Onkel Recht hat, hat er Recht“, sagte er an den Hallstatter gewandt und streckte Arnim die Hand entgegen. „Wir sind Euch zu großem Dank verpflichtet. Das war Rettung in höchster Not.“
Der ergriff sie und lächelte zurück. „Nun ja, ein wenig hoffe ich, damit den Fehler von vorhin wieder gutgemacht zu haben“, gab er zurück.
Wolf nahm ihn beim Arm. „Kommt, gehen wir zu den venezianischen Herren hinüber – sie werden auf eine Erklärung warten …“
Es war der Moment, in dem das prasselnde Tosen des Regens allmählich wieder in ein sanftes Rauschen überging, das immer leiser wurde und schließlich ganz aufhörte.
Und wie zum Zeichen, dass das Schlimmste überstanden war, wurden hier und da am Himmel erneut die ersten Sterne wieder sichtbar, und auch der Mond eroberte seinen Platz am nächtlichen Firmament zurück.
28
Noch glänzte alles vor Nässe. Überall reflektierten Milliarden von Tropfen glitzernd das erste Licht der heraufziehenden Sonne. Die Morgendämmerung war angebrochen.
Der Schlaf floh ihn zu früher Stunde. Kaum dass er wach geworden war, hatte Wolf beschlossen, ein wenig das Plateau zu erkunden. Dabei entdeckte er rechts des Eingangs zum Hohlweg plötzlich ein flaches Felsstück, das wie ein Brett aus der Steilwand herausragte. Es befand sich in etwa fünf Klaftern Höhe. Als er genauer hinsah, bemerkte er, dass einige grob in den Fels gehauene Stufen zu dem Brett hinaufführten. Kurzerhand erklomm er sie und ließ sich auf der steinernen Kanzel nieder. Sinnend blickte er auf das Lager der schlafenden Männer unter sich: dunkle, farblose Silhouetten auf einem ebenso farblos dunklen Boden. Lediglich dort, wo die Gefangenen, gut bewacht von einigen Waffenknechten, gebunden auf der Erde lagen, brannten noch einige Feuer herunter und spendeten ein wenig mehr Licht.
Sie waren erst spät zur Ruhe gegangen.
Gleich nachdem die Gefahr für die venezianischen Geiseln durch den beherzten Einsatz des Hallstatters und seiner Männer beseitigt worden war, hatten Wolf sowie der Graf und Arnim sich ihrer angenommen.
Polo, Lombardi und dal Pietra hatten die plötzliche Wendung der Ereignisse zunächst nicht fassen können. Erst allmählich begriffen sie, dass sie ihre Freiheit wiedergewonnen hatten. Danach aber kannten ihre Dankesbezeugungen keine Grenzen. Insbesondere, als ihnen klar wurde, dass es gelungen war, ihre Befreiung ohne Zahlung eines Lösegeldes zu bewerkstelligen.
Nachdem alles vorbei war, hatten sie noch kurze Zeit an den Feuern beisammengesessen. Der Saurauer hatte Wein reichen lassen, wobei sie sich des Vorrats bedienten, den die Bande in der Höhle mit dem erbeuteten Diebesgut lagerte. Zuvor war außerdem noch nach den fünf Soldaten geschickt worden, die Jakob von Schmelzer in der Felsbucht bewachten. Nachdem sie mit dem Steyrer eingetroffen waren, war dieser einem ersten Verhör unterzogen worden. Von der Befragung
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