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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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barg, ihm Zutritt zu dem künstlich abgeteilten Raum verschaffen würde.
    Der erste Versuch misslang. Hastig probierte Wolf den zweiten Schlüssel. Diesmal mit Erfolg. Knarrend öffnete sich die Tür – und Wolf bekam ein prosaisch anmutendes Durcheinander von allerlei nützlichen und weniger nützlichen Gegenständen zu sehen: geborstene Tonkrüge, rostiges Eisenzeug, Werkzeuge, Holzlatten, Kisten und anderes Gerümpel. Angestrengt suchte sein Blick das Chaos zu ordnen, bis er, unter einem Stapel Bretter und einigen alten, schmutzigen Wolldecken verborgen, eine stabile Truhe erspähte. Ungeachtet des Lärms, den er dabei verursachte, stieg er über das sperrige Durcheinander hinweg und beugte sich zu der Truhe hinunter. Sie war mit einem zweigeteilten eisernen Band versehen, das von einem Schloss zusammengehalten wurde. Verheißungsvoll schimmerte ihm das Metall entgegen.
    Gleich der erste der beiden Schlüssel ließ das eiserne Band federnd auseinanderspringen. Vorsichtig hob Wolf den Deckel – und hatte den Eindruck, ein verkleinertes Abbild des chaotischen Durcheinanders vor sich zu haben, das ihn bereits beim Betreten des Verschlags empfangen hatte: Einige kleinere Werkzeuge, ein zerrissenes Tuch, etwas, das aussah wie ein dicker Wollschal, ein hölzerner Becher und anderes Kleingerümpel, ja sogar einige handgeschnitzte Schachfiguren und ein eiserner Ring, an dem einige verrostete Schlüssel hingen, stachen ihm ins Auge. Er steckte den Schlüsselring in seine Gürteltasche, danach räumte er sämtliche obenauf liegenden Gegenstände beiseite und stieß auf einen Stapel ordentlich zusammengelegter Kleidungsstücke: Unterwäsche, Strümpfe, wollene Gugeln, Beinkleider, Gürtel und anderes.
    Noch tiefer griff er in die Truhe, zerrte an einem Stück Leinen, zog es hervor – um gleich darauf wie von der Tarantel gestochen zurückzufahren; seine Ahnung hatte ihn nicht getrogen.
    Vor ihm lag die blutrote Kutte des roten Priors!
    Wolf verließ den Verschlag, stieg erneut über den sperrigen Krempel hinweg, wobei er abermals Lärm machte, den er jedoch, wie bereits zuvor, ignorierte.
    Rasch ging er mit dem obskuren Kleidungsstück auf die andere Seite des Gewölbes hinüber, um es unter dem Lichtschacht einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Wie zuvor die graue Kutte, breitete er das Gewand so auf dem Boden aus, dass die durch den Schacht einsickernden Sonnenstrahlen darauffallen konnten. Dabei fiel ihm der Schlüsselring aus der Gürteltasche und schlug dumpf klirrend auf dem Lehmboden auf. Als er in die Hocke ging, um ihn aufzuheben, sah er mit einer Mischung aus Triumph und Grimm auf das rote Leinen zu seinen Füßen, das in der von Staubschleiern durchwirkten Lichtsäule geradezu zu schreien schien.
    Plötzlich raubte ein durch den Schacht einfallender dunkler Schatten dem Rot die Leuchtkraft.
    Wolf sprang erschrocken auf. Sein Blick schnellte zu dem vergitterten Fenster empor – durch die hölzernen Gitterstäbe starrte ungläubig und hasserfüllt das von tödlichem Schreck gezeichnete Gesicht eines Mönchs auf ihn herunter.
    Wolf reagierte augenblicklich und rannte mit weit ausholenden Sätzen zur Treppe zurück. Zwei, drei der im Dunkeln liegenden Stufen auf einmal nehmend, jagte er die immer heller werdenden Stiegen zum Vorraum hinauf. Offenbar stand die Tür, die sich zum Hof hin öffnete, noch immer sperrangelweit auf. Doch gerade als er die letzten Stufen zum Vorraum erklommen hatte, hörte er einen lauten Knall, und es wurde schlagartig dunkel. Irgendjemand hatte die Tür von außen zugeschlagen, und Wolf konnte hören, wie ein Riegel vorgeschoben wurde.
    Er fluchte und begann mit den Fäusten gegen die Tür zu trommeln. Dann aber begriff er, wie unsinnig sein Verhalten war. Die Tür bestand aus dicken Bohlen, sodass draußen kaum jemand das schwache Geräusch wahrnehmen würde.
    Gehetzt sah er sich nach einem schweren Gegenstand um. Im spärlichen Licht der dicken Talgkerze, die nach wie vor an der Wand vor sich hin blakte, erblickte er schließlich einen kurzen, massiven Balken neben dem Weidenkorb, der die Fackeln enthielt. Wolf griff sich den Balken und wog ihn prüfend in den Händen. Dann donnerte er das schwere Holz mit wuchtigen Schlägen und lauten Rufen gegen die verriegelte Tür.
    Bruder Theobald war der Bitte des Cellerars liebend gerne gefolgt, dem er beim Verkosten einer neuen Sorte Wein behilflich sein sollte, die heute Abend beim Besuch des hohen Gastes, den der Prior erwartete,

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