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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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kredenzt werden sollte. Basilius hatte sich nämlich vor zwei Tagen eine ordentliche influenza geholt, was in der Folge zu einer Beeinträchtigung seines Geschmackssinns geführt hatte und damit auch zu der vorübergehenden Unfähigkeit, seiner Verpflichtung als Kellermeister nachkommen zu können.
    Theobalds Leidenschaft für gute Weine hatte ihn die Aufgabe, die ihm von Basilius gestellt worden war, mit Bravour meistern lassen. Gut gelaunt – „der Wein erfreut des Menschen Herz“ – hatte er danach beschlossen, zur Pforte zurückzukehren, allerdings nicht ohne vorher bei Bruder Firmin, dem Koch, vorbeigeschaut zu haben. Basilius hatte ihn ein Stück weit begleitet, da er sowieso aufgrund eines heftigen Drängens seiner Blase schnellstens die Latrinen aufsuchen wollte, die sich bei den Pferdeställen befanden. Dort hatte Basilius Bruder Magnus getroffen und sich mit ihm noch ein wenig über Heinrich Mautner unterhalten, der in der Nacht zuvor gestorben war.
    Als der Cellerar schließlich von seinem Gang zurückkehrte und um die Ecke des Schaffnereigebäudes bog, um sich erneut in den Weinkeller zu begeben, hörte er plötzlich ein Geräusch; ein Umstand, der ihn sofort in höchste Erregung versetzte. Denn das Geräusch kam aus dem zu ebener Erde gelegenen Fenster, an dem er gerade im Begriff stand, vorbeizugehen, das Fenster, in das der Lichtschacht des Weinkellers mündete.
    Misstrauisch hielt Basilius inne, um zu horchen. Eine ganze Weile lang hörte er nichts. Schon glaubte er, sich getäuscht zu haben, als er das Geräusch erneut vernahm. Irgendjemand musste sich dort unten zu schaffen machen. Jemand, der dort nichts zu suchen hatte. Der Weinkeller war das ureigene Reich des Cellerars; jedermann im Stift wusste, dass das eigenmächtige Eindringen in das Gewölbe schwerste Strafen nach sich zog.
    Auf einmal fiel ihm siedend heiß ein, dass er die Tür, die in den Keller führte, sperrangelweit hatte offen stehen lassen. Fieberhaft überlegte er, ob er zum Eingang des Weinkellers hinüberlaufen sollte, um den Eindringling auf frischer Tat zu stellen, als erneut ein Geräusch aus dem Gewölbe heraufdrang – diesmal war es ein dumpfes Klirren.
    Unchristlich vor sich hin fluchend, ging Basilius in die Hocke, beugte sich nach vorne, und versuchte, durch das vergitterte Fenster hindurch in das Gewölbe hinunterzuschauen.
    Was er sah, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
    Das durch den Schacht eindringende Licht verwandelte ein viereckiges Stück des dunklen Lehmbodens in einen taghellen Flecken und ließ die darauf ausgebreitete Kutte geradezu gespenstisch leuchten. Ein grässlich schreiendes Rot stach Basilius in die Augen.
    Und noch bevor der Mann, der vor dem Leinen hockte, auf-sprang und seinen Blick zu ihm erhob, wusste der Cellerar und Sub-prior des Stiftes zu Admont, dass ihm von jetzt an nur noch die Flucht blieb, wenn er sein nacktes Leben retten wollte.
    Es gab Augenblicke, in denen Bruder Theobald mit seinem Los ganz besonders zufrieden war. Augenblicke wie dieser. Mit vor dem Bauch gefalteten Händen und geschlossenen Augen saß er vor dem Pförtnerhäuschen und ergötzte sich an der vormittäglichen Augustsonne. Er liebte es, die wärmenden Strahlen auf der kreisrunden kahlen Stelle zwischen dem üppig schwarzen Haar auf seinem Haupt zu spüren – das äußere Zeichen dafür, dass er sein Leben dem Herrn geweiht hatte. Die einzige Person, der dieser erhabene Schmuck missfiel, war Marie, die Tochter des Bäckers Arnold. Sie war der Meinung, dass das Haupt Theobalds– von oben betrachtet
    – aussähe wie der gerupfte Hintern einer Henne. Theobald seufzte, als er daran dachte.
    Das Geräusch galoppierender Hufe riss ihn unsanft aus seinen Gedanken. Erstaunt registrierte der Pförtner, wie einer der Brüder von den Ställen her in halsbrecherischem Tempo auf das Tor zu jagte.
    Als er Pferd und Reiter erkannte, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Wie von Furien gehetzt preschte Bruder Basilius auf Brutus, einem kostbaren Hengst, der dem Abt des Klosters, Wilhelm von Reisperg, gehörte, heran. Von den Schultern des Cellerars wehte ein schwarzer Mantel.
    Theobald sprang auf und trat mitten auf den Torweg hinaus. Mit offenem Mund starrte er dem Cellerar entgegen, der sich mit rasender Geschwindigkeit näherte.
    „Aus dem Weg, du verdammter Narr!“, brüllte Basilius seinen Bruder in Christo völlig unchristlich an. Der Hengst wieherte. Staub stob auf.
    Mit einem gewaltigen Satz zur Seite

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