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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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brachte sich der beleibte Pförtner vor den wirbelnden Hufen in Sicherheit.
    Verblüfft rieb er sich die tränenden Augen und sah dem Reiter hinterher, der sich inmitten einer Wolke aus Staub rasch entfernte. Theobald bekreuzigte sich.
    „Bei allen Heiligen, er muss verrückt geworden sein“, murmelte er und schüttelte ungläubig den Kopf.
    Dann lief er so schnell er konnte zum Abtshaus hinüber, um den Prior zu verständigen.
    „Wartet, ich öffne Euch!“
    Bruder Isidor, einer der Laienbrüder, schob mit einem Ruck den schweren Eichenriegel zur Seite; gleich darauf stieß jemand von innen die Tür zum Weinkeller auf.
    „Ihr, Herr von der Klause? Was ist geschehen?“, fragte Isidor erstaunt.
    Ein flüchtiges „Ich danke dir, Bruder“, war das Einzige, was Isidor zu hören bekam. Dann rannte Wolf, ohne den Mönch noch weiter zu beachten, in weiten Sätzen über den Hof; sein Ziel war die am oberen Tor gelegene Pforte.
    Plötzlich bemerkte er Theobald, der ebenfalls ungewöhnlich eilig und mit hochrotem Kopf den Hof querte. In diesem Moment wusste Wolf, dass irgendetwas Außergewöhnliches geschehen war.
    Als auch der Pförtner seiner ansichtig wurde, änderte er sofort die Richtung und kam aufgeregt mit den Händen rudernd auf ihn zu.
    „Habt Ihr das gesehen? Er muss wahnsinnig geworden sein!“, rief der Mönch, noch bevor er bei ihm angelangt war. Seine Stimme bebte vor Entrüstung und Anstrengung.
    Wolf lief ihm entgegen. „Was? Wen meint Ihr?“, fragte er, als er bei ihm anlangte, obwohl er sich denken konnte, wer gemeint war.
    „Bruder Basilius … Er muss … er muss wahnsinnig geworden sein!“, wiederholte der Pförtner keuchend.
    „Basilius? Wo ist er?“
    Bruder Theobald wandte den Kopf und zeigte mit der Hand in Richtung des Tores. „Dort … dort hinaus ist er … Auf dem Hengst des Abtes“, stieß er nach Luft ringend hervor.
    Wolf sah ihn entsetzt an.
    „Brutus? Er ist mit Brutus davon?“, vergewisserte er sich.
    Theobald nickte heftig. „Ich muss … ich muss es dem Vater Prior sagen. Entschuldigt mich, Wolf.“
    „Ich begleite Euch. Ich denke, den Prior werden noch einige andere Dinge interessieren“, entgegnete Wolf finster.
    Gemeinsam eilten sie zum Abtshaus hinüber.

35
    Hoch aufgerichtet stand Otto Metschacher an einem der Fenster seines Scriptoriums. Starr ruhte sein Blick auf den im Sonnenlicht gleißenden Haller Mauern. Wolf, der schweigend an dem großen Eichentisch saß und den Prior in seinem Mönchshabit musterte, zog unwillkürlich den Vergleich zu einer schwarzen Marmorsäule. Doch die steinerne Unbeugsamkeit, die von ihm auszugehen schien, täuschte.
    In seinem tiefsten Innern war Metschacher, zumindest in diesem Augenblick, ein gebrochener Mann.
    Obwohl der Prior eine äußerst schnelle Auffassungsgabe besaß, hatte es eine gute Weile gedauert, bis er imstande gewesen war, die Ungeheuerlichkeit dessen, was Wolf und der Pförtner ihm offeriert hatten, zu akzeptieren.
    Bruder Basilius, Cellerar und Subprior zu Admont, einer der angesehensten und gebildetsten Brüder im Konvent – ein gemeiner, skrupelloser Verbrecher?
    Ein Dieb? Ein Schnapphahn? Ein Mörder?
    Ja! Es half alles nichts – man musste den Tatsachen ins Auge sehen!
    Nachdem Theobald gegangen war, hatten Wolf und der Prior versucht, das Leben des Cellerars, das dieser in den vergangenen Jahren geführt hatte, zu rekonstruieren. Die Art seiner Tätigkeit, seine Kontakte zur Außenwelt, seine Reisen, die er im Auftrag des Stiftes durchgeführt hatte.
    Sie waren zu dem Ergebnis gelangt, dass vor allem Letztere es dem Cellerar ermöglicht hatten, sein Doppelleben erfolgreich aufzubauen. Basilius hatte eine Art Sonderstatus in Admont innegehabt. Wann immer es galt, eine Mission zu übernehmen, die die Interessen des Stiftes nach außen hin wahren sollte, hatte man Basilius gebeten, diesen Auftrag zu erledigen. Dazu hatte es immer wieder kürzerer und längerer Reisen bedurft. Über seine damit verbundene Abwesenheit im Kloster hatte er im Laufe der Jahre nur noch oberflächlich Rechenschaft ablegen müssen. Denn nur das Endergebnis zählte. Und an diesem gab es, weiß Gott, niemals etwas auszusetzen.
    Zudem oblagen Basilius als verantwortlichem Cellerar eine Reihe von Aufgaben, die mit der Bewirtschaftung des Klosters und den damit verbundenen Aufsichtspflichten zusammenhingen. So kam es nicht selten vor, dass Basilius darum bat, einen oder mehrere Tage von den obligatorischen Stundengebeten und Gottesdiensten

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