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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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befreit zu werden mit dem Hinweis, dass eine „dringende Angelegenheit“ seiner Aufmerksamkeit bedürfe. Und in der Tat erstreckte sich sein Aufgabenbereich auf viele Angelegenheiten – das Kloster verfügte über einen immensen Besitz. So war es nicht zuletzt auch Basilius’ ökonomischen Fähigkeiten zu verdanken, dass die Geschäfte des Stiftes wohlbestellt waren.
    Hatte man sich davon blenden lassen? Und ihm aufgrund seines Geschicks mehr Verantwortung übertragen, als ihm guttat?
    An diesem Punkt ihrer Überlegungen angelangt, war es Wolf und dem Prior gelungen, eine Reihe eindeutiger Indizien zutage zu fördern, welche die Abwesenheitszeiten Basilius’ vom Kloster betrafen.
    So hatte sich der Cellerar am vergangenen Donnerstag spätnachmittags aufgemacht, um angeblich ein Waldstück nördlich der Laussa in Augenschein zu nehmen, in dem es angeblich wieder einmal zu Unregelmäßigkeiten durch Angehörige des Klosters Sankt Lambrecht gekommen war. Erst vorgestern, am Sonntag, dem Siebenundzwanzigsten, war er gegen die Non wieder zurückgekehrt. So hatte er gut als „roter Prior“ verkleidet in der Nacht vom Fünfundzwanzigsten auf den Sechsundzwanzigsten zusammen mit Jakob von Schmelzer an dem Treffen der Bande im „Horst“ teilnehmen können – jener regengeschwängerten Nacht vor drei Tagen, in der er unerkannt entkommen und nur um Haaresbreite seiner Festnahme entronnen war.
    Tage vorher, am neunzehnten August, einem Samstag, hatte sich Basilius gegen Nachmittag verabschiedet, um erst gegen Sext des darauffolgenden Sonntags wieder zurückzukehren. Vornehmlich, um einen bewaldeten Hang zu inspizieren, der an der Straße nach Johnsbach lag und bei einem der nächsten Unwetter ins Rutschen zu kommen drohte. Die Nacht vom Neunzehnten auf den Zwanzigsten aber war jene Nacht gewesen, in der der „rote Prior“ unter den entsetzten Blicken Wolfs und des Grafen Rupert Hauensteiner im Johnsbachtal getroffen und getötet hatte.
    Die Spur seiner vermeintlich „dienstlich“ bedingten Abwesenheit ließ sich noch weiter zurückverfolgen.
    Am Donnerstag, dem zwanzigsten Juli, hatte er wegen des alten Streites mit dem Kloster Gaming, bei dem es wieder einmal um Jagd- und Fischrechte gegangen war, eine Reise zur dortigen Kartause angetreten. Tatsächlich war er am Montag darauf mit einem Schreiben des dortigen Priors zurückgekehrt, in dem dieser das Gaminger Fehlverhalten zugegeben, sich entschuldigt und Schadenersatz zugesichert hatte. Dazwischen aber, am Samstag, dem zweiundzwanzigsten Juli, hatte es den Überfall auf die Venezianer gegeben, und in der darauffolgenden Nacht hatten „Abt“ und „Prior“ jener obskuren, mitternächtlichen Versammlung vorgestanden, während der zwei Mitglieder der Bande als „Verräter“ hingerichtet worden waren.
    Außer der überstürzten Flucht des Cellerars und den Kleidungsstücken, die Wolf im Weinkeller sichergestellt hatte, bildeten somit auch diese zeitlichen Übereinstimmungen weitere Glieder in der Beweiskette, die Basilius als skrupellosen Verbrecher entlarvten.
    „Warum nur, Wolf?“
    Metschacher hatte sich umgedreht. Mit dem Rücken zum Fenster blickte er seinen Besucher aus grauen, fragenden Augen an.
    Wolf blickte auf. Er wusste, dass es dem Wesen des Priors fremd war, sich zu wiederholen. Und doch hatten sie diese Frage bereits vorhin erörtert, ohne eine Antwort darauf gefunden zu haben: die Frage, was Basilius, den von jedermann geachteten Cellerar des Klosters zu Admont, dazu bewogen hatte, zu einem gemeinen Verbrecher zu werden.
    Wolf erhob sich. „Wie ich bereits sagte, Otto: Wenn sich selbst Euch die Antwort entzieht …“ Er brachte den Satz nicht zu Ende und zuckte nur hilflos mit den Schultern.
    Langsam, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen ging Metschacher auf Wolf zu. Hochaufgerichtet blieb er vor ihm stehen. „Ihr habt Recht. Wenn nicht ich, wer sollte es sonst wissen. Ich bin ein schlechter Hirte. Ich müsste meine Schafe besser kennen, nicht wahr?“, bemerkte er leise, wobei ein bitterer, ironischer Zug die Falten um seine Mundwinkel noch verstärkte. Es war einer jener äußerst seltenen Momente, in denen er sich selbstkritisch gegenüber anderen zeigte und für einen kurzen Augenblick Einblick in sein Innerstes gewährte.
    Wolf zog es vor, nichts darauf zu erwidern. Jeder, der Metschacher kannte, wusste, dass der Prior die Geschäftsinteressen des Stiftes stets als vorrangig betrachtete; das Wohl und Wehe des Einzelnen

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