Der Seelenhändler
das holen könntest“, bat er. „Ich mache derweil mit den Händen weiter.“
Noch hatte er den Satz nicht zu Ende gesprochen, als sie bereits den Pfad hinuntereilte.
Als sie mit Seil und Spaten zurückkehrte, fand sie Wolf noch immer bis zur Hüfte im Wasser vor; inzwischen allerdings nicht mehr in gebückter Haltung, sondern hoch aufgerichtet und mit in die Seite gestemmten Armen. Er sah aus, als genieße er einen Sieg.
„Es ist eine hölzerne Truhe!“, rief er triumphierend, kaum dass sie herangekommen war. Mit vor Erregung glänzenden Augen starrte Katharina in das Loch hinab. Tatsächlich. Trotz des schmutzig trüben Wassers konnte sie auf dem Grund den Deckel einer Truhe ausmachen, aus dem ein eiserner Haken ragte.
„Na endlich“, sagte Katharina zutiefst befriedigt und reichte ihm Seil und Spaten.
Rasch schlang Wolf das eine Ende des Seils um den Haken. „Hier, fang!“, forderte er Katharina auf und warf ihr das andere Ende zu. Dann rammte er den Spaten unmittelbar neben der Truhe tief in den Grund des Tümpels. „Und nun, zieh! So kräftig du kannst!“, wies er sie an. Gleichzeitig versuchte er den Spaten als Hebel einzusetzen, indem er den Stiel mit aller Kraft nach unten drückte.
Aber nichts rührte sich. Die Truhe saß fest und ließ sich nicht einen Fingerbreit bewegen.
„Noch einmal! Ich zähle bis drei. Eins … zwei … jetzt!“, befahl Wolf.
Abermals zog Katharina kräftig an, während Wolf ein zweites Mal sein ganzes Gewicht gegen den Spaten stemmte.
Diesmal wurden ihre Anstrengungen von einem dumpfen Knirschen belohnt. Wieder waberten schmutzigbraune Schlieren an die Oberfläche, begleitet vom Blubbern mehrerer Luftblasen – ein deutliches Zeichen, dass sich auf dem Grund etwas zu bewegen begann.
„Und noch einmal! Gleich haben wir’s. – Zieh!“, wiederholte Wolf seinen Befehl, presste unter Aufbietung all seiner Kräfte erneut den Stiel des Spatens nach unten – und merkte auf einmal, wie dieser nachzugeben begann. Gleichzeitig spürte auch Katharina, dass sich der Widerstand verringerte. Unmittelbar darauf verriet ein dumpf schmatzendes Geräusch, dass Schlick und Kies auf dem Grund des Tümpels ihre Beute endgültig frei gaben. Wolf warf den Spaten achtlos neben den Tümpel, griff mit beiden Händen in die dunkelbraune Brühe – und nur wenige Augenblicke später erblickte eine seit fünfzehn Jahren in einem unscheinbaren Tümpel verborgene eichene Truhe das Licht des Tages.
„Wie Arnulf es wohl geschafft hat, sie auf dem Grund des Tümpels zu vergraben?“, meinte Katharina, die dicht neben Wolf kauerte. Nachdem sie mitgeholfen hatte, die Truhe an den Rand des Wasserlochs zu wuchten, sah sie nun gespannt dabei zu, wie Wolf die rostigen Beschläge einer Prüfung unterzog.
„Er wird das Rinnsal vorübergehend künstlich umgeleitet und das Wasser aus dem Loch herausgeschöpft haben“, antwortete Wolf. „Das dürfte keine große Schwierigkeit gewesen sein. Nachdem er die Truhe vergraben hatte, leitete er den Bach wieder in sein ursprüngliches Bett zurück, und der Tümpel füllte sich wieder.“
„Besonders groß ist das gute Stück nicht gerade“, bemerkte Katharina mit einem skeptischen Blick auf die Truhe.
„Aber für ihre Größe ganz schön schwer“, entgegnete Wolf und klopfte mit einem Stein das Bandeisen ab, das um die Truhe herumlief.
„Verrostet, aber noch nicht durchgerostet, nicht wahr?“, stellte Katharina fest.
„Ja, aber ich brauche irgendetwas, um das Schloss zu knacken. Oder das Band, je nachdem“, antwortete er.
„Wie wär’s, wenn du den Spaten nimmst.“
„Natürlich, so könnte es gehen“, entgegnete er. Er griff sich das Werkzeug, klemmte das Spatenblatt unter das Bandeisen und stemmte es mit einem kräftigen Ruck nach oben. Mit einem dump-fen Knall barst das eiserne Band auseinander.
„Der Augenblick der Wahrheit …“, murmelte Wolf und sah Katharina an. Dann ergriff er plötzlich ihre Hand, um sie auf den hölzernen Deckel zu legen.
„Wenn es jemand verdient sie zu öffnen, dann du, Liebes“, sagte er leise.
Zuerst zögerte Katharina, dann aber klappte sie voller Erwartung und mit einer einzigen schnellen Bewegung den Deckel zurück
– um schließlich verblüfft und maßlos enttäuscht auf das zu starren, was ihr da im Licht der Vormittagssonne feucht entgegenglänzte.
„Deshalb also war sie so schwer“, bemerkte Wolf, der mindestens ebenso überrascht war wie Katharina.
Die Kiste war bis zum Rand mit Kies
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