Der Seelenhändler
Katharina zu, „so sind wir auf der sicheren Seite, und niemand kann den Vorwurf erheben, wir hätten die Dinge manipuliert.“
Um die neunte Stunde herum waren sie endlich so weit, sich auf den Rückweg nach Admont machen zu können. Wolf war inzwischen fest davon überzeugt, dass sich nun auch die andere der beiden Schachpartien, die ihm das Schicksal zu spielen auferlegt hatte, dem Ende zuneigte.
Bald würde er den letzten, entscheidenden Zug machen.
In nur noch fünf Tagen. Wenn Neumond war.
38
Mattes Sternfunkeln regierte den Himmel im Westen, während im Osten schüchtern der Tag heraufzog. Mit fahler Hand begann der nahende Morgen, sein spärliches Licht wie Asche über die Landschaft zu streuen und alles in dunkles, stumpfes Grau zu tauchen. Noch atmete die Erde die kühle Luft der Nacht, ohne dass man ihren Atem wahrnahm. Weder verhüllten Nebelschwaden die Konturen der Berge und Wipfel, noch perlte Tau von den Blättern und Hal-men.
Alles ruhte. Alles schlief.
Bis auf jenes schwarze, unförmige Etwas, in dem ein Paar großer, runder Augen glühte.
Auf einem Haufen zerborstener alter Ziegel sitzend, blickte ein Uhu über eine halb verfallene, steinerne Brüstung hinweg in Richtung Osten. Unmittelbar neben dem mächtigen Vogel ragte, dunkel und drohend, das marode Gemäuer eines alten Burgfrieds in die Höhe. Längst schon war ihm das Dach abhanden gekommen. Gleich einem wunden Zeigefinger, dem das letzte Glied fehlt, schien er an die Verletzlichkeit des Seins und die Vergänglichkeit alles Irdischen gemahnen zu wollen. Die mächtige Burganlage, über die er einst wachte, war schon vor vielen Jahrzehnten von ihren Besitzern aufgegeben worden. Nur selten setzten Menschen ihren Fuß hierher, schien doch in jedem Winkel der Hauch des Todes wie ein stummer Fluch zu nisten.
Ein Rascheln. Ein Knacken.
Der Kopf des Eulenvogels fuhr zur Seite, drehte sich wie eine Kugel, und kaum dass seine Augen die Silhouette des Mannes, der sich plötzlich auf ihn zubewegte, wahrgenommen hatten, öffnete er auch schon seine Schwingen und schwebte lautlos in Richtung Westen davon, dorthin, wo noch ungestört die Nacht regierte.
Langsam trat Basilius, der ehemalige Cellerar des Stiftes zu Admont, hinter dem Burgfried hervor. Noch saß ihm der Schreck im Nacken: das rot glühende Augenpaar des Vogels hatte ihn für die Dauer eines Lidschlags so sehr irritiert, dass ihm unwillkürlich ein Fluch entglitten war.
Er ließ sich auf dem Haufen alter Ziegel nieder und blickte sinnend nach Osten, wo der Tag als fahler Streifen heraufdämmerte. Es würde sein Tag werden. Gewiss, der Feind würde erst morgen auftauchen. Doch heute schon würden sie die entscheidenden Vorbereitungen treffen, um ihm den Empfang bereiten zu können, der ihm gebührte. Diesmal würde dem Klausner niemand helfen …
Das Vorgefühl des Sieges ließ ein hämisches Lächeln über die Züge von Basilius huschen. Er wandte den Kopf und sah zum Burghof hinüber, dorthin, wo innerhalb eines verfallenen, halbkreisförmigen Mauerstücks Hanno von Rieden mit seinen Mannen schlief.
Basilius’ Lächeln wurde breiter; er dachte an den Plan, mittels dessen er seine Ziele zu erreichen gedachte.
Es war ein verdammt guter Plan, und er war bereits weit gediehen.
Zweifelsohne gründete er auf eine gütige Fügung des Schicksals: auf die Tatsache nämlich, dass er, Basilius, bei dem Verhör Mautners zugegen gewesen war. Und dies einen Tag, bevor der verfluchte Klausner seine Identität herausbekommen hatte.
Zugegeben, an jenem Tag, an dem er Hals über Kopf auf Brutus, dem schnellen Pferd des Abtes, die Flucht antreten musste, hatte Panik sein Handeln bestimmt. Dann aber, nachdem seine Kaltblütigkeit wieder zurückgekehrt war, hatte er sich einen regelrechten Schlachtplan zurechtgelegt.
Zuerst war er skeptisch gewesen, ob sich sein Plan verwirklichen lassen würde. Aber bald war es ihm gelungen, den ersten Schritt seines Vorhabens erfolgreich umzusetzen. Ein triumphierendes Grinsen glitt über das Gesicht von Basilius, während er daran dachte, wie leicht es gewesen war, dem Kräuter sammelnden Bruder Magnus seinen „Freitod“ mittels einer einfachen Strohpuppe vorzutäuschen. Schon Stunden bevor er den Mönch zur Enns gelockt hatte, hatte er das mit dem Gewand eines Benediktiners umhüllte Gestell aus Holz und Stroh auf dem Felsen aufgestellt gehabt. Täuschend echt musste der „Strohmönch“ auf Magnus gewirkt haben. Es war zwar nicht ganz ungefährlich
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