Der Seelenhändler
die Genugtuung zuteil werden, den Prior des Ordens vom Ring gedemütigt zu haben. Über mein Leben habe ich selbst bestimmt. Und über meinen Tod werde ich es ebenso tun. Sieh her, Bruder Magnus! Und erkenne, was wahre Freiheit bedeutet.“
Ungläubig und mit vor Entsetzten geweiteten Augen nahm Magnus zur Kenntnis, wie der Cellerar sich auf diese Worte hin mit seitlich ausgebreiteten Armen in die weiß schäumenden Fluten fallen ließ.
Für einige Lidschläge war er wie gelähmt. Dann aber stürzte Magnus über den breiten Geröllgürtel zum felsigen Rand des Ufers hinunter. Obwohl ihm der Schreck noch in den Knochen saß, erklomm er mit geübten Bewegungen den Felsen, von dem aus sein ehemaliger Mitbruder in den Tod gestürzt war. Schaudernd blickte er auf die tosende Flut hinab, die einen feinen Nebel aus Nässe zu ihm emporschickte. Durch den Nebel hindurch nahm er wahr, wie der schwarz gekleidete Körper des Basilius zwischen den umtosten Felstrümmern zuerst eine Weile hin und her geschleudert und dann von den wütenden Wassern flussabwärts gerissen wurde.
Magnus bekreuzigte sich. „Der Herr sei deiner Seele gnädig“, murmelte er, bevor er hastig vom Felsen stieg, um sich über das Geröllfeld und durch den Wald so schnell wie möglich wieder zu Brutus zurückzubegeben.
Und zu seinem Korb, der die frisch gepflückten Blätter des Rupprechtskrautes barg.
37
Es war gegen die Stunde der Terz, als Wolf und Katharina sich am letzten Tag des Augusts auf den Weg zu Arnulfs Hütte machten. Sie hatten beschlossen, gemeinsam nach dem Versteck der Dokumente zu suchen, auf das es der geheimnisvolle Graf von Rieden abgesehen hatte. So es diese Dokumente überhaupt gab – welche Einzelheiten würden sie wohl über die Herkunft Bertrams enthüllen? Und welche über seinen Feind, der nach wie vor darauf aus war, ihn zu töten? Da sich darüber nur mutmaßen ließ, bildete bald wieder die überraschende Wende, die sich im Fall des Basilius ergeben hatte, den Gegenstand ihrer Unterhaltung.
„Bei allem Schrecken: Mit seinem Tod dürfte ja endlich Ruhe in Admont einkehren“, stellte Katharina fest.
„Davon darf man ausgehen. Auch wenn es noch eine gute Weile dauern wird, bis bei Kaufleuten und anderen Reisenden das Vertrauen in die Strecke über die Buchau wiederhergestellt ist“, bestätigte Wolf und setzte damit den vorläufigen Schlusspunkt unter ihre Unterhaltung.
Mittlerweile waren sie auf den schmalen Weg eingebogen, der in das Tal führte, das die Heimat Arnulfs und seiner Familie gewesen war.
Vor ihnen öffnete sich die auf drei Seiten von bewaldeten Hängen umgebene Senke, an deren östlicher Begrenzung eine verwaiste Hütte am Fels lehnte. Unmittelbar rechts neben der Hütte befand sich die offene Feuerstelle, die von Agnes den Sommer über als Kochstelle genutzt worden war. Davor bezeichneten fünf auf dem Gemeinschaftsgrab aufgeworfene Erdhügel, aus denen jeweils ein schlichtes Holzkreuz ragte, die Stelle, an der Agnes, Arnulf, Tassilo sowie Anna und Paul ihre letzte Ruhestätte gefunden hatten.
Wolf und Katharina gaben den Pferden die Fersen und ritten langsam weiter. Nachdem sie die Mitte der Senke passiert hatten, machten sie abermals Halt und saßen ab. Sie überließen die Tiere sich selbst und schritten nebeneinander durch das hohe Gras bis an den Rand der Gräber. Ergriffen sahen sie auf die erdigen Hügel hinunter, stumme Zeugen einer erst kurz zurückliegenden Tragödie, der fünf unschuldige Menschen auf bestialische Weise zum Opfer gefallen waren.
Unwillkürlich taten Wolf und Katharina das, was sie glaubten, tun zu müssen: Einem inneren Impuls folgend, fielen sie gemeinsam auf die Knie, falteten die Hände und begannen stumm zu beten.
„Komm, lass uns anfangen, gehen wir zur Hütte hinüber!“, meinte Wolf, nachdem sie sich wieder erhoben hatten. Seine Stimme klang heiser, aber bestimmt und erinnerte an die Aufgabe, die vor ihnen lag. Offensichtlich hatte ihn das kurze Verweilen an den Gräbern in seiner Entschlossenheit bestärkt.
„Und wenn wir nichts finden?“, fragte Katharina.
„Wir werden etwas finden. Wir müssen nur aufmerksam genug suchen“, entgegnete Wolf.
„Was macht dich so sicher?“
„Ich sagte es gestern schon: Dieser Hanno von Rieden erwartete, dass Mautner und seine Spießgesellen nicht nur Bertram beseitigen, sondern auch irgendwelche Dokumente sicherstellen würden, die sich im Besitz von Arnulf und Agnes befanden. Aber das gelang ihnen offenbar nicht.
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