Der Seelenhändler
davongestohlen. Gehüllt in eine kalte, nasse Decke aus mondlosem Dunkel.
Ihm folgte, ebenso nass und kalt, der Donnerstag, der siebenundzwanzigste Juli des Jahres des Herrn 1385.
11
Feiner Nieselregen hüllte die Landschaft in ein tristes Kleid.
Schon früh an diesem Morgen hatten sich der Bauer Moritz Prechtel und sein fünfjähriger Sohn Matthias auf den Weg von Weng in Richtung Admont gemacht. Trotz des knöcheltiefen Schlamms und der vielen Pfützen waren sie guter Dinge. Sie hatten auch allen Grund dazu. Der Ochse, den sie mit sich führten, trug unter anderem ein Fässchen Butter und eine gut gepolsterte Stiege mit frischen Eiern. Die Lieferung war für das Stift bestimmt und würde einige zusätzliche Pfennige abwerfen. Das Kostbarste der La-dung waren aber zweifellos die beiden großen Töpfe mit Honig, eine Köstlichkeit, die Bauer Prechtel dank seiner Bienenvölker lie-fern konnte. Dafür zahlte ihm Bruder Basilius, der Cellerar, gerne das Doppelte des normal üblichen Preises.
Vater und Sohn hatten bis jetzt über alles Mögliche geplaudert, als Matthias plötzlich still wurde. Eine Weile schritt er einsilbig neben seinem Alten her. Die Sache fiel ihm wieder ein. Jene ganz bestimmte Sache, aus der die Erwachsenen, wann immer sie danach gefragt wurden, unbegreiflicherweise ein großes Geheimnis machten. Sein Vater bildete da keine Ausnahme. Stirnrunzelnd blickte Matthias zu ihm hoch. Würde er es ihm heute sagen?
Er fasste sich ein Herz. „Vater, willst du es mir nicht endlich sagen?“, entfuhr es ihm seufzend.
Moritz sah in erstaunt an. „Sagen? Was denn genau?“
„Aber Vater, du weißt schon. Die Sache mit dem Kinderkriegen. Wie das bei den Kühen und den Ziegen ist, weiß ich ja. Und auch bei den Hunden. Und bei den Hasen. Ich meine, wie es dazu kommt, dass sie Junge kriegen. Aber wie ist das bei den Menschen?“
Moritz grinste gequält. Dieser Bengel. Er ließ nicht locker. Wiederholt hatte er ihn deswegen schon gelöchert, doch bisher war es ihm stets gelungen, einer Antwort auszuweichen. Krampfhaft suchte er nach einer Möglichkeit, um den Knaben ein weiteres Mal hinzuhalten, doch es fiel ihm keine ein.
„Also, pass auf“, setzte er zur Antwort an – und schwieg.
„Ja, Vater?“
„Also, pass auf“, wiederholte Moritz verlegen. „Wie kann ich es dir am besten erklären …“ Abermals hielt er inne. „Ach, geh! Du bist noch zu jung dafür“, platzte es plötzlich aus ihm heraus. Ärgerlich begann er, schneller auszuschreiten. Aber Matthias gab nicht auf.
„Vater“, bohrte er nach. „Ich bin doch schon fünf Jahre alt. Viel älter als Rochus und Elsa. Die sind erst drei und wissen doch auch schon, wie man ein Junges macht. Und gestern hat Rochus sie wieder bestiegen, ich hab’s genau gesehen. Warum darf ich es nicht wissen? Warum sagst du, ich bin zu jung?“ Elsa war eine Ziege und Rochus ein Bock auf dem Prechtel’schen Hof.
Moritz war baff. Er blieb stehen. Mit dieser überwältigenden Logik seines Jüngsten hatte er nicht gerechnet. Sollte er nun lachen oder dem Bengel eine langen?
In diesem Augenblick nahmen beide das rhythmische Klatschen galoppierender Hufe auf dem vom Regen aufgeweichten Lehmboden wahr. Reiter. Sie blickten sich um – noch war nichts zu sehen. Doch das klatschende Geräusch kam schnell näher. Hinter der Wegbiegung, die sie selbst soeben erst passiert hatten, tauchten sie schließlich auf. Sie waren zu viert. Drei schwer bewaffnete Männer und ein Dominikaner, unschwer zu erkennen am Habit seines Ordens: Über der weißen Kutte wehte, heftig flatternd, ein schwarzer Mantel von den Schultern des Mönchs. In halsbrecherischer Jagd hielten die Reiter direkt auf die beiden zu.
Erschrocken drängte Moritz den Ochsen an den Straßenrand und trat, seinen Filius an den Armen packend, schnell zur Seite. Es war höchste Zeit. Grauen Schatten gleich, preschten die Reiter rücksichtslos an ihnen vorüber, sie über und über mit Dreck und Wasser bespritzend. Der Ochse ließ ein verstörtes Muhen hören, Matthias hielt ängstlich die Beine des Vaters umklammert. Doch so schnell, wie der Spuk gekommen war, war er auch wieder vorbei.
Was blieb, war das eisige Entsetzen in der Miene des Moritz Prechtel. Und sein schlammbespritztes Gesicht, aus dem jegliche Farbe gewichen war.
Fassungslos sah er den Reitern nach, deren Silhouetten sich rasch im grauen Dunst der Ferne verloren. Zitternd wischte er sich mit dem Arm den Schmutz von der Stirn.
Ein einziger
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